Kritik von Flüchtlingsräten Flüchtlingskinder warten lange auf Schulplätze
Lehrermangel und überfüllte Klassen haben laut Flüchtlingsräten besonders für Flüchtlingskinder ernste Folgen: Vielfach könnten sie monatelang keine Schule besuchen. Sie warnen, dass die lange Wartezeit den Kindern schade.
Eigentlich besteht für alle Minderjährigen in Deutschland vom ersten Tag an ein Recht auf Bildung und eine Schulpflicht. Doch Flüchtlingsräte und Hilfsorganisationen kritisieren, dass geflüchteten Kindern und Jugendlichen vielfach monatelang ein Schulbesuch verwehrt bleibt. Vor allem in großen Städten und in Ballungsräumen müssten einige Minderjährige bis zu einem Jahr warten, bis sie eine Schule besuchen könnten, sagten Sprecher der Flüchtlingsräte der Nachrichtenagentur epd.
Gründe seien vor allem die lange Verweildauer in vorläufigen Unterbringungseinrichtungen sowie der Lehrkräftemangel. Die Schulen hätten nicht genügend Plätze in Vorbereitungs- und Sprachlernklassen.
Oft schon im Herkunftsland keine Schule
Allein in Berlin erhielten derzeit weit mehr als 2.000 Kinder im schulpflichtigen Alter keinen Schulunterricht, kritisierte Sina Stach vom dortigen Flüchtlingsrat. Das betreffe sowohl Kinder, die mit ihren Familien nach Deutschland geflüchtet sind, als auch unbegleitete Minderjährige. "Das ist ein großer Skandal. Doch da diese Misere geflüchtete Kinder betrifft, bleibt der zu erwartende Aufschrei leider aus."
In Bremen komme es ebenfalls zu "erheblichen Einschränkungen und Verzögerungen" bei der Beschulung, berichtete Holger Dieckmann vom dortigen Flüchtlingsrat.
Der Erziehungswissenschaftler Aladin El-Mafaalani warnt, dass durch die Verzögerung eine erfolgreiche schulische Laufbahn der Kinder "hochgradig gefährdet" sei. Viele hätten durch Flucht und unsichere Verhältnisse im Herkunftsland schon lange keine Schule mehr besucht und einen großen Förderbedarf.
Verband: "Das System ist völlig überlastet"
Trotz der Schulpflicht und dem Recht auf Bildung hätten viele Bundesländer entschieden, dass eine Schulanmeldung der ohne Eltern nach Deutschland geflüchteten Jugendlichen in der vorläufigen Inobhutnahme und während des Clearing-Verfahrens wenig Sinn ergebe. In diesem Verfahren wird laut dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) die Perspektive der Kinder geklärt.
Allerdings müssten die überwiegend männlichen Flüchtlinge anders als vorgesehen dort inzwischen oft monatelang ausharren, bis Plätze in dauerhaften Wohngruppen frei würden. Dadurch verzögere sich auch der Schulstart, sagte Helen Sundermeyer vom BumF. Vormünder und Betreuer, die sich um eine Schulanmeldung kümmern könnten, gebe es zu wenig. "Das System ist völlig überlastet."
Keine adäquate Bildung auch bei anderen Flüchtlingskindern
Doch auch für Kinder, die mit ihren Familien geflüchtet seien, ist die Situation nicht viel besser. Der in Erstaufnahmeeinrichtungen angebotene Unterricht sei kein adäquater Ersatz für eine Regelschule, gab Teresa Wilmes vom Kinderhilfswerk "terre des hommes" zu bedenken. Die Flüchtlingskinder hätten keinen Kontakt zu Einheimischen. Die Fluktuation sei hoch, die Unterrichtsinhalte seien eingeschränkt. Wegen des Wohnraummangels in den Kommunen müssten viele dort über Monate auf engem Raum leben.
Auf Nachfrage der Nachrichtenagentur epd bestritt etwa das niedersächsische Kultusministerium Probleme bei der Beschulung von Flüchtlingskindern. Ein Sprecher teilte demnach mit, dass es in dem Bundesland "prinzipiell kein Kind und keinen Jugendlichen ohne Schulangebot und Schulplatz" gebe. In Einzelfällen könnten kurze Wartezeiten von einigen Tagen vorkommen.