Scholz zum Ukraine-Krieg Keine Sonderregelung bei EU-Beitritt
Einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine wird es laut Scholz nicht geben - dafür aber weitere Hilfe bei der Verteidigung gegen Russland. Der deutschen Bevölkerung versprach der Kanzler im Bundestag ebenfalls Unterstützung.
Einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine wird es laut Scholz nicht geben - dafür aber weitere Hilfe bei der Verteidigung gegen Russland. Der deutschen Bevölkerung versprach der Kanzler im Bundestag ebenfalls Unterstützung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in seiner Regierungserklärung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geäußert und dabei Erwartungen auf einen schnellen EU-Beitritt des Landes gedämpft. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe Recht, wenn er darauf hinweise, dass der Beitrittsprozess "keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren" sei, sagte Scholz im Bundestag.
Aus Fairness gegenüber anderen langjährigen Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan dürfe es "keine Abkürzungen" in die EU geben. Deshalb wolle sich die EU darauf konzentrieren, die Ukraine "schnell und pragmatisch zu unterstützen", sagte Scholz.
Er verwies dabei auch auf einen von der EU-Kommission vorgeschlagenen Solidaritätsfonds für den milliardenschweren Wiederaufbau des Landes nach dem Ende des Krieges. Mit ihm werde die EU die Ukraine "auf ihrem europäischen Weg unterstützen", sagte Scholz. Die Vorarbeiten für den Wiederaufbaufonds, der sich aus Beiträgen der EU und internationaler Partner speisen solle, müssten nun beginnen, sagte Scholz.
Die Ukraine hatte den EU-Beitritt kurz nach dem russischen Einmarsch in ihr Land beantragt. Die EU-Kommission will ihre offizielle Stellungnahme dazu voraussichtlich im Juni abgeben. Macron hatte vergangene Woche jedoch gesagt, das Verfahren für den EU-Beitritt könne "Jahrzehnte" dauern. Stattdessen schlug er die Schaffung einer "europäischen politischen Gemeinschaft" für die Ukraine und andere beitrittswillige Länder vor.
Scholz sichert Ukraine weitere Hilfe bei Verteidigung zu
Der Kanzler sicherte der Ukraine zudem weitere Hilfe bei der Verteidigung des Landes zu. Zugleich betonte Scholz, dass die militärische Hilfe mit schweren Waffen keine Eskalation bedeute. "Einem brutal angegriffenen Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation", sagte er in der Regierungserklärung zum EU-Sondergipfel Ende Mai.
Dies sei vielmehr ein Beitrag, den Angriff abzuwehren "und damit schnellstmöglich die Gewalt zu beenden". "Noch immer glaubt Putin, dass er einen Diktatfrieden herbeibomben könne", sagte Scholz. Diesen Diktatfrieden werde es aber nicht geben, weil ihn die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht akzeptieren würden - "und wir auch nicht".
Der Kanzler fügte hinzu: "Erst wenn Putin das begreift, erst wenn er versteht, dass er die Verteidigung der Ukraine nicht brechen kann, dann wird er bereit sein, ernsthaft über Frieden zu verhandeln." Putin habe die Entschlossenheit der Ukraine und die Geschlossenheit des Westens unterschätzt.
Kanzler verspricht Hilfe zur Bewältigung der Preisanstiege
Mit Blick auf die Folgen des Krieges für die EU rief Scholz zu Solidarität in der Europäischen Union bei der Energieversorgung auf. "Auf europäischer Ebene geht es vor allem darum sicherzustellen, dass es keine Engpässe bei der Energieversorgung in einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Das ist ein Gebot europäischer Solidarität", sagte der SPD-Politiker.
Teil einer europäischen Lösung sei der Ausbau transeuropäischer Energienetze. "Mittel- und langfristig bleibt die einzig vernünftige Antwort auf die derzeitigen Probleme am Energiemarkt, dass wir uns unabhängig machen von fossiler Energie." Sein Treffen am Mittwoch mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Dänemark, den Niederlanden, Belgien und mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im dänischen Esbjerg habe gezeigt, dass man dabei in Europa vorankomme.
Scholz erklärte zudem, dass die Bundesregierung allen Bürgerinnen und Bürgern angesichts der derzeitigen Preisanstiege zur Seite stehen will. "Wir lassen niemanden allein", sagte der Kanzler. Gewährleistet werden müsse die Sicherheit und Unabhängigkeit der Energieversorgung, Energie müsse aber auch bezahlbar bleiben. National und europäisch dürfe der von Russland verschuldete Preisanstieg niemanden überfordern. Das gelte ganz besonders für die Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen. Scholz verwies dabei auf die Entlastungspakete der Koalition.
Merz spricht von "doppeltem Spiel" bei Waffenlieferungen
Unionsfraktionschef Friedrich Merz warf Scholz wiederum ein doppeltes Spiel im Zusammenhang mit der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine vor. Scholz erwecke den Eindruck, als ob Waffenlieferungen stattfänden, sagte der CDU-Vorsitzende im Bundestag. "Die Wahrheit ist doch, dass aus Deutschland in den letzten Wochen so gut wie nichts an Waffen geliefert worden ist", sagte Merz. "Was treiben Sie denn da für ein Spiel, auch mit der deutschen Öffentlichkeit, wenn es um diese Waffenlieferungen geht?"
Seit Wochen spreche Scholz von einem Ringtausch von Waffen - "der hat bis heute nicht stattgefunden", kritisierte Merz angesichts der Pläne, östlichen Nachbarländern deutsche Waffen zu liefern, wenn diese wiederum der Ukraine ältere Waffensysteme sowjetischer Bauart zur Verfügung stellen. Deutsche Rüstungsunternehmen beklagten zudem seit Wochen, dass sie keine Exportgenehmigung bekommen würden. Merz sagte, er könne dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter zustimmen, der gesagt hatte, das Problem sitze im Kanzleramt.
Merz forderte weiterhin die Entlassung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. "Trennen Sie sich von dieser Ministerin so schnell wie möglich", sagte der CDU-Vorsitzende. "Sie werden es sowieso irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten machen müssen. Also machen Sie es bald." Lambrecht sei seit Wochen "mehr mit Selbstverteidigung als mit Verteidigungspolitik beschäftigt", sagte Merz mit Blick auf den umstrittenen Mitflug von Lambrechts Sohn in einem Bundeswehr-Hubschrauber. Die Ministerin werde das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten nicht mehr erreichen.
AfD kritisiert Russland-Sanktionen als kontraproduktiv
Die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wiederum kritisierte die Sanktionen gegen Russland wegen dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine als kontraproduktiv. Sie schadeten Deutschland und Europa mehr als Russland, sagte sie in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung von Kanzler Scholz. "Ein Öl- und Gasembargo gegen Russland wäre vollends ruinös, denn ein tragfähiger Ersatz für die ausfallenden Lieferungen steht in den Sternen."
Zugleich rief Weidel den Kanzler auf, Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen. Der Krieg in der Ukraine habe ein Stadium erreicht, in dem statt ständig neuer Waffenlieferungen der Verhandlungsweg beschritten werden müsse. Die AfD teile die Sorgen des Kanzlers vor einer Eskalation, sagte Weidel. "Der Krieg in der Ukraine ist nicht unser Krieg. Wir dürfen uns von Parolen, Propaganda und Emotionen nicht fortreißen lassen, sondern müssen unsere eigenen Interessen vertreten. Und die sind: Waffenstillstand und Frieden".