Informelle NATO-Absprache Keine Kampfpanzer für die Ukraine?
Nach Informationen aus der SPD gibt es eine NATO-Absprache, keine westlichen Kampf- und Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern. So wolle man eine Provokation Moskaus vermeiden. Die Union ist empört: Der Bundestag sei darüber nicht informiert worden.
In der NATO hat man sich laut Informationen aus der SPD informell darauf geeinigt, ohne Absprachen keine westlichen Kampf- und Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern. Dies sei kein offizieller NATO-Beschluss und könne es auch nicht sein, weil die NATO als Bündnis gar keine Waffen liefere, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Hellmich.
Alle Lieferungen an die Ukraine hätten die NATO-Staaten eigenständig getätigt. Trotzdem hätten sich bislang aber alle Partner an die informelle Verabredung gehalten. Über die NATO-Absprachen "wurde der Verteidigungsausschuss Mitte Mai vollumfänglich informiert", erklärte Hellmich.
Er hatte bereits vor zwei Wochen, nachdem Kanzler Olaf Scholz im Verteidigungsausschuss befragt worden war, von einer Entscheidung der NATO gesprochen, "keine schweren Kampfpanzer zu liefern, keinen Leclerc und keinen Leopard". Das sei in der NATO "untereinander entschieden und beschlossen worden". Ähnlich äußerte sich am vergangenen Sonntag auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".
Der Nachrichtenagentur dpa wurde aus Bündniskreisen die Existenz solch informeller Absprachen bestätigt. Damit solle das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen NATO-Staaten und Russland möglichst gering gehalten werden. Es wird befürchtet, dass Russland die Lieferung westlicher Kampfpanzer und Kampfflugzeuge als Kriegseintritt werten könnte
Kritik aus der Union
Am Mittwoch schließlich reagierte der Vize der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, und kritisierte die Bundesregierung: Eine solche Absprache sei bisher nicht erwähnt worden, dabei habe der Bundestag die Regierung uneingeschränkt zur Lieferung schwerer Waffen aufgefordert. "Entweder liegt das an einer skandalösen Unfähigkeit, die gepaart ist mit Schlamperei und Unwissenheit. Oder aber, und das wäre ein veritabler Skandal, der Deutsche Bundestag und die Öffentlichkeit werden mit immer neuen Pseudobegründungen hinter die Fichte geführt, um eine systematische Verzögerungsstrategie zu tarnen", sagte er "focus online".
Deutschland liefert Haubitzen und Flugabwehrpanzer
Bisher hat Deutschland zwei Arten schwerer Waffen an die Ukraine zugesagt: den Flugabwehrpanzer Gepard und die schweren Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000. Die Ukraine drängt ihre Partner jedoch immer wieder, auch Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart zu liefern. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hatte deshalb angeboten, gebrauchte Exemplare des Schützenpanzer Marders und des Kampfpanzers Leopard direkt an die Ukraine zu geben. Eine formelle Entscheidung der Bundesregierung dazu ist nicht bekannt.
Thomas Wiegold, Fachjournalist für Sicherheitspolitik, wagte in den tagesthemen eine Einschätzung der Vorgänge. Ganz so wie das Verteidigungsministerium und SPD es darstellten, sei die Übereinkunft nicht getroffen worden. "Es scheint ein stillschweigendes Einvernehmen zu geben, keine Panzer westlicher Produktion zu liefern", sagte er. Jedenfalls habe das bisher keine westliche Nation getan. Das habe unterschiedliche Gründe. So wollten die NATO-Staaten ihre eigenen modernen Panzer behalten.
"Anlass, dass so gereizt debattiert wird, ist, dass Deutschland ältere Leopard-I -Modelle hat, die die Industrie herrichten könnte", meinte Wiegold. Aber es fehle eine Genehmigung Deutschlands. Das würde auch auf die Schützenpanzer vom Typ Marder zutreffen. "Es scheint keine Absprache in der NATO zu geben, zumindest was man von anderen Mitgliedern der Allianz gehört hat." Die deutsche Äußerung sei etwas unglücklich ausgefallen.