"Future Labs" in Schweinfurt Mit neuem Unterrichtskonzept gegen den Klimawandel
In Schweinfurt suchen Schülerinnen und Schüler Lösungen gegen den Klimawandel - im "Future Lab". Was im vergangenen Schuljahr noch ein Pilotprojekt in Bayern war, steht nun in einigen Klassen fest auf dem Stundenplan.
Lilly-Ann Kraus und fünf weitere Schülerinnen und Schüler aus ihrer Klasse graben mit Spaten Löcher in den Boden. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt stehen sie auf einer Obstplantage zwischen Zwetschgenbäumen. "Ich find' es ganz interessant hier", sagt Lilly-Ann. "Es ist cooler, als zuhause rumzuhocken, und die Kälte stört mich eigentlich nicht."
Andreas Markert, Obstbauer in Kolitzheim im Landkreis Schweinfurt, erklärt den Sechstklässlern, wie man den Boden gegen Austrocknung schützt. Er zeigt es ihnen an den ausgegrabenen Erdhaufen. "In der oberen Schicht haben wir hier den Humus. Das ist das, was wir haben wollen", sagt er. Der Humus mache den Boden klimaresilienter, denn er sei ein sehr guter Wasserspeicher. Dies sei besonders in den heißen und trockenen Sommern von großem Vorteil, so Markert.
Das Wissen weitergeben
Die Schülerinnen und Schüler des Walther-Rathenau-Gymnasiums Schweinfurt lernen all das im neuen Unterrichtskonzept "Future Lab". Geografie-Lehrer Oliver Kunkel hat diese "Labore der Zukunft" entwickelt.
Eine Future-Lab-Klasse ist in mehrere Gruppen eingeteilt. Sie besuchen verschiedene Betriebe wie zum Beispiel einen Winzer und einen Förster. Dort lassen sich die Gruppen von den Experten erklären, welche Probleme der Klimawandel verursacht. Im Unterricht - circa drei Stunden pro Woche - entwickeln die Schülerinnen und Schüler unter anderem Lösungen, was man gegen den Klimawandel und seine Folgen alles machen kann.
Die Kinder und Jugendlichen sollen ihr Wissen an ihre Eltern, Bekannten und Verwandten weitergeben. "Sie sollen den Virus der Veränderung in die Erwachsenenwelt tragen", sagt Lehrer Kunkel.
Future-Lab-Klassen sollen weltweit zusammenarbeiten
Kunkel hat eine Vision: In den Future Labs sollen Schülerinnen und Schüler weltweit gemeinsam an Lösungen gegen den Klimawandel arbeiten. Der Geografie-Lehrer arbeitet täglich drei bis vier Stunden an der Ausbreitung des Future-Lab-Konzepts in Europa und Afrika. Dazu hat er mittlerweile Kooperation mit Universitäten und Klimaforschungsinstituten gebildet. Zudem ist er im Vorstand des Bayerischen Elternverbandes, der die Future Labs ebenfalls unterstützt.
Der Lehrer hat bereits erste Kontakte geknüpft - nach Ghana in Westafrika. Per Videokonferenz unterhalten sich die Schweinfurter Sechstklässler mit Schülerinnen und Schüler aus Ghana.
Die Klasse aus Ghana hat das Problem, dass das Wasser ihres Sees durch die Sonne immer mehr verdunstet. Die Landwirtschaft braucht aber das Wasser -besonders in der Trockenzeit. Die Lösung könnte sein, dass schwimmende Solarpanels die Sonneneinstrahlung auf den See verringern und damit auch die Verdunstung. Doch solche Panels kosten viel Geld.
Die Sechstklässler des Walther-Rathenau-Gymnasiums sprechen per Videokonferenz mit Schülerinnen und Schülern in Ghana.
Gebrauchte Solarmodule aus Deutschland
Lilly-Ann macht den Schülerinnen und Schülern aus Ghana einen Vorschlag. Dazu spricht sie auf Englisch in die Tabletkamera: "Wir könnten euch gebrauchte Panels und Stromspeicher in Deutschland besorgen. Sie sind billig und völlig okay."
Mit einigen aus ihrer Klasse bildet Lilly-Ann eine Arbeitsgruppe. Lehrer Kunkel hilft ihnen bei der Suche nach gebrauchten Solarpanels im Internet. Sie werden schnell fündig. Kunkel deutet auf sein Tablet und erklärt: "Da gibt es von Solarparks ausrangierte Panels. Für Afrika wären die, obwohl sie acht Jahre alt sind, immer noch supereffizient, weil dort die Sonne so stark strahlt."
Lilly-Ann und ihre Arbeitsgruppe wollen mit Spendenaktionen genügend Geld bis zum Frühjahr zusammenbekommen. Die Sechstklässlerin zieht ein Zwischenfazit: Sie hätte nie gedacht, dass sie mit ihrer Klasse so viele schöne Ideen findet, um etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Wenn alles gut läuft, schicken die Sechstklässler dann gebrauchte Solarmodule nach Ghana.
Oliver Kunkel und seine Schülerinnen und Schüler suchen im Internet nach gebrauchten Solarmodulen.
Auch Achtsamkeit und Lerntechniken Thema
In den Future Labs soll noch ein weiterer wichtiger Baustein gefördert werden, sagt Kunkel: "gehirngerechtes Lernen". "Ich will die Erkenntnisse der Neurowissenschaften in eine zeitgemäße Schule übersetzen." Dies kann durch Achtsamkeitsübungen, Bewegungs- und Koordinationstraining, aber auch Unterricht in der Natur gefördert werden. Hinzu kommen Lern- und Verständnistechniken für verschiedene Schulfächer wie Mathe und Fremdsprachen.
Wichtig ist vor allem, dass die Schülerinnen und Schüler selbst wahrnehmen und verstehen, wie ihr Gehirn "tickt". Laut Kunkel entwickeln und verinnerlichen sie in den Future Labs zu vielen Fragen die Antworten: Wie kann ich mir etwas langfristig merken? Wie kann ich komplexe Zusammenhänge besser verstehen? Wie kann ich eigene kreative Ideen entwickeln und damit Probleme lösen? Wie kann ich mich besser konzentrieren und auch Lust an der Anstrengung entwickeln? Wie werde ich stressresilient, zufrieden und optimistisch?
Gemeisterte Herausforderungen geben Motivation
Der größte Gewinn für die Kinder und Jugendlichen sei es, Selbstwirksamkeit zu erfahren, so der Lehrer. Sie spürten dann: Das habe ich durch meine Anstrengung geleistet. Zum Beispiel, wenn die Sechstklässler versuchen, gebrauchte Solarmodule für ihr Partner-Future-Lab in Ghana zu organisieren und dabei mehrere Herausforderungen bewältigen müssen.
Sie werden sich um den Transport der Module in einem Container kümmern und darüber hinaus mit der afrikanischen Klasse schwimmfähige Konstruktionen für die Solarpanels entwickeln.
Wenn sie dann schließlich im kommenden Sommer ihre Solaranlage auf dem See per Videokonferenz sehen, werden sie zutiefst befriedigt sein, sagt Kunkel. Das beflügele sie für weitere Anstrengungen.