Milei trifft Scholz im Kanzleramt Ein Kurzbesuch hinter verschlossenen Türen
Kanzler Scholz hat den argentinischen Präsidenten Milei im Kanzleramt empfangen. Der einstündige Besuch fand ohne die üblichen Gepflogenheiten eines Gipfeltreffens statt. Beim Treffen ging es um Mileis Wirtschaftspolitik und Mercosur.
Keine militärischen Ehren und keine Pressekonferenz - stattdessen gab es eine kurze Begrüßung im Freien: Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Berliner Kanzleramt hinter verschlossenen Türen mit dem argentinischen Präsidenten Javier Milei getroffen.
Für das Gespräch war lediglich eine Stunde vorgesehen - auf Wunsch Mileis, wie es von deutscher Seite heißt. Der Staatschef der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas, die zur G20-Staatengruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gehört, gilt als Exzentriker. Im Wahlkampf trat er mit laufender Kettensäge auf, unliebsame Parlamentarier tituliert er gerne als "Ratten" und der Staat ist für ihn die Wurzel allen Übels. Mit einem radikalen Sparprogramm will Milei das Land wieder auf Kurs bringen.
Radikales Sparprogramm beeinflusst Wirtschaftsleistung
Viele der radikalen Wirtschaftsreformen Mileis sind nicht sozialverträglich. Kanzler Scholz habe die Zeit genutzt, um sich für den Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts einzusetzen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach dem Gespräch mit.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer Rezession und leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.
Der ultraliberale Präsident will das Land mit einem radikalen Sparprogramm wieder auf Kurs bringen. Das hat allerdings seinen Preis: Die harten Maßnahmen würgen die Wirtschaftsleistung ab. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rückgang um 2,8 Prozent im laufenden Jahr. Nach Angaben der Katholischen Universität Argentiniens leben knapp 56 Prozent der Menschen in Argentinien unter der Armutsgrenze und rund 18 Prozent in extremer Armut.
Die Reformen des Präsidenten haben zu gewaltsamen Protesten in Argentinien geführt. Auch während seines Besuchs in Hamburg und Berlin kam es zu Demonstrationen.
Gespräche über Freihandelszone
Scholz und Milei sprachen auch über die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder und machten sich laut Hebestreit für den zügigen Abschluss der seit 25 Jahren andauernden Gespräche über eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenverbund Mercosur stark, dem neben Argentinien auch Brasilien, Uruguay und Paraguay angehören. Mit dem Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern entstehen. Eine Grundsatzeinigung aus dem Jahr 2019 wird jedoch wegen anhaltender Bedenken - etwa beim Regenwaldschutz - nicht umgesetzt. Der Kanzler unterstützte auch den Beitritt Argentiniens zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
Einigkeit gab es zwischen Scholz und Milei auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Regierungssprecher Hebestreit verwies darauf, dass beide kürzlich erst am Friedensgipfel in der Schweiz teilgenommen haben. "Auch im heutigen Gespräch waren sich beide einig, dass Russland es in der Hand hat, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden."
Medaille der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft
Milei war bereits am Samstag in Deutschland eingetroffen und hatte in Hamburg die Medaille der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft erhalten - in Anwesenheit der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und des Vorsitzenden der rechtskonservativen Werteunion, Hans-Georg Maaßen. In seiner Rede schlug er eher moderate Töne an und beschränkte sich darauf, seinen radikalliberalen Reformkurs zu erklären.
Vor Scholz haben bisher nur vier Staats- und Regierungschefs Milei seit dessen Amtsantritt vor einem halben Jahr empfangen: Israels Premier Benjamin Netanyahu, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, El Salvadors Präsident Nayib Bukele und Papst Franziskus als Staatsoberhaupt des Vatikans.