Einschätzung des UNHCR Asylverfahren in Drittstaaten nur unter Bedingungen
Die Bundesregierung prüft, ob Deutschland Asylverfahren in Drittstaaten auslagern kann. Auch andere Länder verfolgen solche Pläne. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hält eine Auslagerung grundsätzlich für möglich - allerdings in engen Grenzen.
Mehrere europäische Länder verfolgen derzeit den Plan, Asylverfahren außerhalb ihres Staatsgebiets beziehungsweise außerhalb der EU durchzuführen - in Drittstaaten. Ein Modell sieht vor, dass bereits angekommene Asylsuchende wieder ausgeflogen werden. Sie müssten dann in dem Drittstaat auf das Ergebnis des Verfahrens warten. Kritiker bezweifeln aber, ob das unter anderem mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist.
In der Debatte hat sich nun das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen zu Wort gemeldet. Es vertrete seit Langem den Standpunkt, dass Rückführungen oder Überstellungen in sichere Drittstaaten möglich seien, aber nur unter eng gefassten Bedingungen.
Dazu gehöre, dass diese Länder die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention und die menschenrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang respektierten, hieß es in einer Stellungnahme des UNHCR in Deutschland. Außerdem müsse eine entsprechende Vereinbarung dazu beitragen, "die Verantwortung für Flüchtlinge fair unter den Staaten zu teilen, anstatt sie zu verlagern".
UNHCR: Das Ankunftsland behält die Verantwortung
Die Vertreterin des UNHCR in Deutschland, Katharina Lumpp, betonte, nach dem Flüchtlingsvölkerrecht liege die "primäre Verantwortung" für die Prüfung von Asylanträgen sowie die Gewährung von internationalem Schutz bei dem Staat, in dem ein Asylsuchender ankomme und um Schutz ersuche. Durch eine Bearbeitung dieses Schutzersuchens außerhalb der eigenen Staatsgrenzen werde diese Verpflichtung nicht berührt.
Zu Beginn der Woche hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz darauf verständigt, dass die Bundesregierung ihr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzt und prüft, ob Asylverfahren auch in Transit- und Drittstaaten, also außerhalb der EU, möglich sind. Nach Angaben eines Sprechers hat das Bundesinnenministerium bereits damit begonnen. Dabei geht es sowohl um die Frage, ob Asylsuchende aus Deutschland in andere Staaten gebracht werden dürfen, als auch darum, ob man Flüchtlinge bereits in Transitstaaten Anträge stellen lässt.
Migrationsforscher Knaus schlägt Pilotprojekt vor
Migrationsforscher Gerald Knaus hält eine Drittstaatenlösung für sinnvoll. Sie wäre ein wichtiger Baustein zur Begrenzung irregulärer Migration. Knaus regte ein europäisches Pilotprojekt an: "Die EU-Kommission könnte vorschlagen: Alle, die in den nächsten zwei Jahren über das zentrale Mittelmeer kommen, kann Italien in einen sicheren Drittstaat schicken."
Als Beispiel nannte Knaus Ruanda. Die EU könne mit dem Land eine ähnliche Vereinbarung treffen, wie es Großbritannien anstrebe. Die Regierung in London plant, dass irregulär nach Großbritannien eingereiste Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrags festgehalten und so bald wie möglich nach Ruanda abgeschoben werden, wo sie dann auch um Asyl ersuchen sollen. Das Vorhaben wurde von Gerichten vorerst gestoppt.
"Der Unterschied zu dem rechtlich angreifbaren britischen Modell müsste sein, dass dann nicht Ruanda dort die Asylverfahren durchführen würde, sondern zum Beispiel das Flüchtlingshilfswerk UNHCR", sagte Knaus.
Italien will mit Albanien als Drittstaat zusammenarbeiten
Italien selbst hat sich Albanien als Partnerland gesucht. Dort sollen zwei Aufnahmezentren entstehen, in denen Migranten, die Italien auf dem Mittelmeer gerettet hat, ihr Asylverfahren durchlaufen. Dazu hatten die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der albanische Regierungschef Edi Rama am Montag eine Absichtserklärung unterzeichnet.
"Verheerende körperliche und seelische Folgen"
Kritische Worte kamen von der Schauspielerin und UNHCR-Botschafterin Cate Blanchett. Ihr Heimatland - Australien - habe die "menschlichen Kosten einer schädlichen Politik wie der Auslagerung auf die harte Tour gelernt", sagte sie in einer Rede vor dem Europaparlament. Australien verfolgt eine Abschreckungspolitik. Asylbewerber werden teilweise in Lager nach Papua-Neuguinea und Nauru gebracht, wo ihre Asylanträge bearbeitet werden.
Diese Politik habe "verheerende körperliche und seelische Folgen" nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für jene, die solche Verfahren organisieren müssten, so Blanchett. Es seien Milliarden von Steuergeldern für einen inzwischen "diskreditierten und weitgehend aufgegebenen Ansatz verschwendet" worden. Viele Australier empfänden heute "Scham und Bedauern" wegen dieser unmenschlichen Politik.
Für Deutschland gab das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aktuelle Zahlen heraus. Die Zahl neuer Asylsuchender habe im Oktober mit 31.887 den höchsten Wert seit 2016 erreicht, so ein Sprecher des BAMF. Seit Jahresbeginn seien 267.384 Erstanträge auf Asyl gestellt worden.