Bund-Länder-Einigung zu Migration Ein Kompromiss mit offenen Fragen
Fast sah es so aus, als ob man keine gemeinsame Basis finden würde - dann haben sich Bund und Länder bei ihrem Gipfel doch noch in zentralen Fragen zur Migration geeinigt. Es bleiben jedoch Fragen offen.
Man mag im Laufe des Tages seine Zweifel gehabt haben, ob das noch was wird. Aber um 2.45 Uhr tauchten dann doch drei gut gelaunte Männer im Presseraum des Kanzleramts auf: Kanzler Olaf Scholz, der hessische Ministerpräsident Boris Rhein und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil trällerten unisono den letzten verbliebenen Journalisten ein fröhliches "Guten Morgen" entgegen.
Und jedem, der sich die lange Nacht um die Ohren geschlagen hatte, wurde von Scholz gleich vermittelt, dass er das nicht umsonst getan habe. Ein "historischer Moment" sei das. Scholz würdigt, dass alle Ebenen des Staates zusammengefunden hätten: "Unser gemeinsames Ziel ist es, die irreguläre Migration zurückzudrängen".
Gedämpfte Euphorie bei Länderchefs
Ganz so euphorisch klingt das bei dem hessischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Rhein (CDU), nicht. "Natürlich könnte es mehr sein aus Sicht eines Unions-Ministerpräsidenten", sagt er. Er betont aber auch: "Wir sind einen guten Schritt vorangekommen, damit sind wir zufrieden."
Es waren die unionsgeführten Länder, die dafür gesorgt hatten, dass das Bund-Länder-Treffen rund drei Stunden zu spät begann. "Nicht erquicklich" nannte das der niedersächsische Ministerpräsident Weil. Der SPD-Politiker war deutlich angefressen gewesen, dass die unionsgeführten Länder kurz vor dem Treffen im Kanzleramt Änderungsvorschläge eingebracht hatten.
Sie wollten unter anderem erreichen, dass Asylverfahren auch in Drittstaaten möglich sein sollen, außerdem forderten sie eine Senkung der Leistungen für Geflüchtete und ein Ende der freiwilligen Aufnahmeprogramme.
Am Ende doch ein Kompromiss
Es soll hoch hergegangen sein in der Sitzung der Länder, zeitweise wurde in Kleingruppen diskutiert. Am Ende konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, so dass die unionsgeführten Länder mit einer angehängten Protokollerklärung in die Krisensitzung ins Kanzleramt gingen.
Verspätet und uneins: Es waren nicht die besten Voraussetzungen für eine Einigung. Doch auf die Protokollerklärung bestanden die unionsgeführten Länder am Ende nicht mehr, weil in dem Abschlusstext nun doch stand, dass das Asylverfahren in Drittstaaten geprüft werden soll.
Der Kanzler hatte sich für den Passus eingesetzt, in der Pressekonferenz betonte er aber zugleich seine Skepsis: "Man muss am Ende des Tages jemanden finden, der das gemeinsam mit einem voranbringen will. Das ist nicht so leicht. Außerdem gibt es ja eine ganze Reihe an rechtlichen Fragen, deshalb haben wir uns ja auf Prüfung verständigt". Prüfung heißt eben nicht: zwangsläufig machen. Den Unionsländern reichte die Formulierung aber vorerst.
Finanzierung zentraler Punkt
Der zentrale Punkt der Verhandlungen war sowieso die Finanzierung. Erst gegen Mitternacht kam das Thema auf dem Tisch. Die Länder hatten im Vorhinein vom Bund gefordert, sich stärker an den Asylkosten zu beteiligen. "Das atmende System" wurde zu dem Begriff der Pressekonferenz. Denn künftig sollen die Länder pro Asylbewerber bezahlt werden: Kommen weniger Asylbewerber, gibt es weniger Geld. Kommen mehr, zahlt der Bund mehr - nichts weniger als ein Systemwechsel.
Die Länder hatten pro Asylbewerber 10.500 Euro gefordert, am Ende einigten sich Bund und Länder auf 7.500 Euro als jährliche Pauschale. Zusätzlich sollen Länder und Kommunen durch einen veränderten Leistungsbezug entlastet werden. So soll etwa die Versorgung in Gemeinschaftsunterkünften künftig gegengerechnet werden. Außerdem sollen Asylbewerber künftig erst nach 36 und nicht nach 18 Monaten volle Sozialleistungen beziehen können.
Woher kommt das Geld?
Insgesamt spricht der niedersächsische Ministerpräsident Weil von einer Entlastung von rund 3,5 Milliarden Euro und lobt die Einigung mit dem Bund: "Dass es gelungen ist, unter diesen Bedingungen ziemlich genau auf der Mitte zueinanderzukommen, das ist zu früher Morgenstunde wirklich ein Ausrufezeichen wert."
Neben dem Ausrufezeichen bleibt aber auch ein Fragezeichen. Wie will der Staat das finanzieren? Scholz beantwortet die Frage pragmatisch: "Das Beste wäre natürlich, die Zahl der Asylbewerber, die nach Deutschland kommen und erfolglos Schutzanträge stellen, nimmt ab." Klingt einfach, bleibt kompliziert.