Ständige Impfkommission Mertens nicht mehr STIKO-Chef
Er war eines der Gesichter der Corona-Pandemie: Nun zieht sich der Virologe Mertens von der Spitze der Ständigen Impfkommission (STIKO) zurück. Das Gremium steht offenbar vor einem größeren personellen Umbau.
Thomas Mertens, einer der bekanntesten Corona-Experten in Deutschland, ist nicht länger Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO). Vor wenigen Tagen endete die aktuelle Arbeitsperiode des unabhängigen Beratungsgremiums; sein Nachfolger ist noch nicht benannt. Der Virologe, der seit 2017 an der Spitze der STIKO stand und ihr seit 2004 angehörte, hatte schon frühzeitig angekündigt, für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen.
Mertens sagte der Nachrichtenagentur KNA, die STIKO solle nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) neu aufgestellt werden. Die bisher unbefristete Anzahl der Amtsperioden solle auf drei begrenzt werden. Damit müssten möglicherweise im Februar zwölf Mitglieder aus dem maximal 18 Menschen zählenden Gremium ausscheiden.
Umbau geplant
Ein Ministeriumssprecher bestätigte der "Augsburger Allgemeinen Zeitung", eine Neuberufung der STIKO werde aktuell durch das Gesundheitsministerium vorbereitet. "Turnusmäßig läuft der aktuelle Berufungszeitraum im Februar 2024 aus." Eine Amtsperiode der ehrenamtlich tätigen STIKO-Mitglieder dauert üblicherweise drei Jahre. In der Corona-Pandemie war sie zuletzt um ein Jahr verlängert worden.
Das Gesundheitsministerium lobte die bisherige Arbeit der Kommission: Sie habe "insbesondere im Rahmen der Pandemie Höchstleistungen vollbracht. Sie arbeitet national und international auf hohem Niveau", sagte ein Sprecher der Zeitung.
Anfeindungen von Corona-Leugnern
Der KNA sagte Mertens, dass er während der Pandemie mehrfach darüber nachgedacht habe, sein Amt niederzulegen - nach dem Motto "wie dumm muss man eigentlich sein, um so viel Ärger unbezahlt in Kauf zu nehmen". Er habe Hunderte hässliche Mails erhalten und sei beim Einkaufen oder auf der Straße angepöbelt worden. "Ich war schon erschüttert, wie viel Unwissenheit, Dummheit und Bösartigkeit in dieser Zeit auf mich eingeprasselt sind."
Dabei habe Deutschland die Pandemie trotz aller Unkenrufe recht erfolgreich gemeistert, sagte Mertens. Das habe auch an der vergleichsweise hohen Anzahl an Krankenhäusern und Intensivbetten gelegen.
Auch Fehler gemacht
Als gesellschaftlich problematisch wertete der Mediziner insbesondere die Kontaktsperren für Kinder und Senioren. Das größte Problem war nach Mertens' Ansicht die Kommunikation während der Pandemie. Viele Politiker habe er als nicht gerade hilfreich empfunden. "Da wurde nicht auf Basis von wissenschaftlichen Daten argumentiert. Da ging es darum, politischen Handlungswillen zu demonstrieren, das eigene Profil zu schärfen oder politischen Druck zu entwickeln."
Es seien teilweise schwer erträgliche Beschlüsse gefasst worden - "etwa, wenn anfangs schnelle Impfungen von Kindern gefordert wurden, aber gleichzeitig gesagt wurde, dass der Bund keine Haftung übernimmt".