Spahn zu Lockerung des Kontaktverbots "Keiner kann sagen, was kommt"
Man könne über eine Lockerung der Einschränkungen reden, "wenn wir bis Ostern alle konsequent sind", so Minister Spahn. Er deutet an, dass die Regierung auch Handydaten nutzen könnte, um Corona-Infektionsketten zu klären.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, haben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Stellung zur aktuellen Entwicklung der Corona-Epidemie in Deutschland genommen. Beide betonten, dass niemand derzeit seriöse Aussagen über die kommenden Wochen machen könne.
"Keiner kann genau sagen, was in den nächsten Wochen kommt", so Minister Spahn. Die derzeitigen Einschränkungen seien notwendig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Zugleich müsse überlegt werden, wie es danach weitergeht.
Das Leben wieder schrittweise normalisieren
"Es wird eine Zeit geben, in der wir noch gegen das Virus kämpfen, aber in der das Leben sich wieder schrittweise normalisiert." Laut Spahn sollen nach Ostern Konzepte zwischen den Ministerpräsidenten der Bundesländer und der Bundesregierung besprochen werden.
Er betonte, über eine Lockerung oder Veränderung der Einschränkungen könne man aber nur dann sprechen, wenn jetzt überall die Regeln befolgt würden, um die Infektionen zu bremsen. "Wir können dann nach Ostern möglicherweise über eine Veränderung reden, wenn wir bis Ostern alle miteinander konsequent sind."
In der Corona-Krise war zuletzt der Ruf nach einer "Exit-Strategie" lauter geworden. So forderte etwa der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, die Bundesregierung auf, rasch eine solche Strategie für ein schnelles Durchstarten der Unternehmen nach der Corona-Krise zu entwickeln. Bundesinnenminister Horst Seehofer ließ seinen Sprecher via Twitter mitteilen, das könne erst dann angegangen werden, "wenn man dieses schnelle und aggressive Verbreiten des Virus im Griff hat".
"Ohne Kontaktnachverfolgung wird es nicht gehen"
Gesundheitsminister deutete in der Pressekonferenz auch an, dass die Bundesregierung notfalls auf Handydaten zurückgreifen möchte, um Infektionsketten zu klären. "Diese gesellschaftliche Debatte braucht es aus meiner Sicht", so Spahn.
Bis zur Entwicklung eines Impfstoffs und eines Medikaments zur Behandlung gelte es, Kontaktpersonen von Infizierten "sehr, sehr schnell" nachzuvollziehen und diese unter Quarantäne zu stellen. Dieses per Hand zu machen, stoße bei wachsenden Zahlen in den Gesundheitsämtern an Kapazitätsgrenzen. "Ohne Kontaktnachverfolgung wird es nicht gehen."
In anderen Ländern - etwa in Südkorea - werden Handydaten bereits für diesen Zweck genutzt. Datenschützer sehen das aber äußerst kritisch. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich bereits am Sonntag im Bericht aus Berlin ablehnend zu entsprechenden Überlegungen ihres CDU-Kollegen Spahn geäußert. Zwar werden dem RKI auch schon jetzt Handydaten zu Verfügung gestellt - das aber nur anonymisiert und um festzustellen, ob sich das Mobilitätsverhalten der Deutschen generell verändert hat.
RKI: Deutschland am Anfang einer Epidemie
Spahn betonte zudem, dass es wichtig sei, die Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern zu erhöhen. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der derzeit 28.000 Intensivbetten in deutschen Kliniken zu verdoppeln.
RKI-Präsident Wieler sagte, Deutschland stehe am Anfang der Epidemie. Die Zahl der Infizierten und Toten werde steigen. Eine gesicherte Aussage, ob sich die Dynamik an Neuinfektionen abschwäche, lasse sich noch nicht machen, sagte Wieler.
"Warum immer noch Feste gefeiert werden, ist mir unverständlich"
Laut RKI gab es in Deutschland bis Mitternacht rund 36.500 gemeldete Fälle von Coronavirus-Infizierten und damit rund 5000 mehr als am Vortag. Wieler verwies darauf, dass jeder an dem Virus erkranken könne, unabhängig von Alter und Gesundheitszustand. Zwar steige das Risiko schwerer Verläufe mit dem Alter, aber auch Jüngere könnten schwer erkranken und auch sterben. Daher sei es für alle von zentraler Bedeutung, die Abstandsregeln und die weiteren Beschränkungen einzuhalten.
"Manche Städte und Landkreise haben es geschafft, größere Ausbruchsgeschehen auch unter Kontrolle zu bekommen." Diese Ausbrüche seien teilweise in Zusammenhang mit Festen oder Reisen aufgetreten. "Warum immer noch Feste gefeiert werden, ist mir unverständlich", sagte Wieler.