Melnyks Abberufung Zwischen Dankbarkeit und Kritik
Die Abberufung des ukrainischen Botschafters Melnyk hat im politischen Berlin gemischte Reaktionen ausgelöst. Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann beschreibt ihn als lautstarken Kämpfer.
Es ist eine Mischung aus Dankbarkeit und Kritik, mit der die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Andrij Melnyk würdigt: Als "laut, unbequem und äußerst streitbar" beschreibt Marie Agnes-Strack-Zimmermann den ukrainischen Botschafter Melnyk. Der habe - mehr Politiker als Diplomat - "mit seinen Äußerungen die Deutschen teils an die Grenzen des Erträglichen gebracht und Grenzen auch deutlich überschritten."
Die FDP-Politikerin verweist gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio allerdings auch darauf, dass Melnyk mit sieben Jahren ungewöhnlich lange im Amt gewesen sei und versucht habe, "uns die Augen zu öffnen und uns wachzurütteln". Er sei der lautstarke Kämpfer für ein Land gewesen, das sich in einem furchtbaren Krieg befinde. "Für den Druck, den er auf Deutschland ausgeübt hat, damit wir endlich Tempo bei der Unterstützung der Ukraine machen, muss man ihm dankbar sein", erklärte Strack-Zimmermann.
Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt lobte Melnyk als "unüberhörbare und unermüdliche Stimme für eine freie Ukraine". Gleichzeitig stellte die Grünen-Politikerin klar, dass sie dessen Ansichten zum ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera nicht teile.
Keine "Strafaktion", sondern normaler Vorgang
Melnyk hatte in einem Interview bestritten, dass Bandera im Zweiten Weltkrieg ein Massenmörder von Juden und Polen gewesen sei. Ob diese Äußerungen ein Grund dafür sind, dass der Diplomat seinen Posten räumen muss, bleibt offen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Abberufung als "normalen Vorgang", vier weitere Botschaftsposten in der Welt würden neu besetzt.
Auch der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hält dies "nicht für eine Strafaktion", sondern für einen normalen Vorgang, wie er dem Sender Welt sagte.
"Engagierter Streiter"
Der AfD-Außenpolitiker Petr Bystron befand, Melnyk hätte schon viel früher abberufen werden müssen. Und der SPD-Politiker Joe Weingarten meint, Melnyk sei zu einer Belastung der ukrainisch-deutschen Beziehungen geworden.
Der Grünen-Abgeordnete Robin Wagener hingegen twitterte, er habe Melnyk als engagierten Streiter für die Ukraine kennen- und schätzen gelernt.
Scharfzüngiger Kritiker der Bundesregierung
Melnyk galt in Berlin als scharfzüngiger Kritiker der Bundesregierung. Der exzellent Deutsch sprechende Diplomat warf gerade Bundeskanzler Olaf Scholz beständig vor, zu zögerlich mit Waffenlieferungen zu sein. Im Streit um dessen Kiew-Besuch bezeichnete er den Kanzler als "beleidigte Leberwurst".
Während die einen Melnyks Drang in die Öffentlichkeit als anmaßend wahrnahmen, lobten ihn andere für den Versuch, sein Land zu retten und den Deutschen den Spiegel vorzuhalten.