NRW-Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet
Analyse

Laschet in der Corona-Krise Alles andere als locker

Stand: 23.06.2020 17:22 Uhr

Er hat lange gezögert - und nun doch gehandelt. Die verhängten Einschränkungen sind eine Kehrtwende in der Corona-Politik von NRW-Ministerpräsident Laschet. Beugt er sich dem öffentlichen Druck oder ist er einfach nur vorsichtig?

Eine Analyse von David Zajonz, WDR

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im April von "Öffnungsdiskussions-Orgien" sprach, dürfte sie vor allem ihren eigenen Parteikollegen in Nordrhein-Westfalen vor Augen gehabt haben: Armin Laschet. Der CDU-Ministerpräsident war immer wieder mit Vorstößen zu möglichen Lockerungen der Corona-Maßnahmen aufgefallen, die Kanzlerin warnte davor. Jetzt steht ausgerechnet das von ihm geführte Bundesland Nordrhein-Westfalen im Zentrum der Diskussion um verschärfte Maßnahmen.

Vor einer Woche wurde ein massiver Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies in Rheda-Wiedenbrück bekannt. Inzwischen sind mehr als 1500 Mitarbeiter von Tönnies positiv getestet worden. Als erste Maßnahme schlossen Land und Kreis allerdings nur die Schulen und Kitas.

Nach längerem Zögern verkündete Laschet doch einen "Lockdown" für den Kreis Gütersloh: Fitness-Studios und Schwimmbäder müssen beispielsweise schließen. Nun gelten wieder die Kontaktbeschränkungen, die ganz Deutschland aus dem März kennt. Treffen in der Öffentlichkeit sind nur noch zu zweit oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstands erlaubt. Und die Bevölkerung im Kreis Gütersloh soll teilweise getestet werden. Zunächst gelten die Maßnahmen eine Woche lang bis Ende Juni. Ähnliche Maßnahmen wurden wenig später im benachbarten Kreis Warendorf reaktiviert.

Corona-Obergrenze schon lange gerissen

Hintergrund der Debatte ist eine Corona-Obergrenze, auf die sich Bund und Länder im Zuge der Lockerungen Anfang Mai geeinigt hatten. Bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einem Landkreis sollten Beschränkungen verschärft werden - solange der Ausbruch nicht auf einen Ort begrenzt werden kann. Merkel war diese Maßnahme besonders wichtig gewesen.

Diese Obergrenze hatte der Kreis Gütersloh schon in der vergangenen Woche deutlich gerissen. Laschet berief sich darauf, dass das Ausbruchsgeschehen lokal eingrenzbar gewesen sei, dass also fast alle Fälle mit dem Fleischproduzenten Tönnies zusammenhingen. Über die Schulschließungen hinaus wollte er deshalb zunächst keine Maßnahmen verfügen.

Druck auf Laschet

Dafür ist er heftig in die Kritik geraten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach warf der NRW-Landesregierung eine Missachtung der Regeln vor und warnte vor einer Ausbreitung des Virus. Die Urlaubsinsel Usedom weist Besucher aus dem Kreis Gütersloh ab, weil die Behörden dort Ansteckungen befürchteten.

Nun wirkt es so, als beuge sich Ministerpräsident Laschet dem öffentlichen Druck. Denn an der Faktenlage in Gütersloh hat sich in den vergangenen Tagen wenig geändert, auch wenn die offiziellen Infektionszahlen durch vermehrte Tests unter den Tönnies-Mitarbeitern erwartungsgemäß weiter gestiegen sind. Bei der Ankündigung der von ihm als "Lockdown" bezeichneten Maßnahmen betonte Laschet wieder, das Infektionsereignis sei "lokalisierbar". Seine Kehrtwende erklärte er dann damit, dass Vorsicht geboten sei.

Zustimmungswerte für Laschet gesunken

Falls es Laschets politisches Kalkül gewesen sein sollte, durch die Lockerungsdiskussionen Pluspunkte bei der Bevölkerung zu sammeln, so ging der Schuss nach hinten los. In der Corona-Zeit konnten sich Regierungspolitiker wie Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) als Krisenmanager profilieren und an Zustimmung gewinnen.

Laschets Beliebtheitswerte sind hingegen zurückgegangen. Im November 2019 waren nach einer Umfrage im Auftrag des WDR-Magazins Westpol 54 Prozent der Bürger in Nordrhein-Westfalen zufrieden mit ihrem Ministerpräsidenten. Im April profitierte zunächst auch Laschet deutlich vom Amtsbonus in der Krise. Die Zufriedenheit mit seiner Arbeit lag bei 65 Prozent.

Nach den Lockerungsdiskussionen folgte aber der Absturz: Anfang Juni 2020 lag die Zustimmung zu seiner Arbeit nur noch bei 46 Prozent. Politisch gesehen kennt die Corona-Krise bislang einige Gewinner. Laschet gehört derzeit nicht dazu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. Juni 2020 um 17:00 Uhr.