Kurz bei Merkel "Eine sehr schwierige Kiste"
Österreichs Bundeskanzler Kurz bleibt bei seinem Widerstand gegen die Finanztransaktionsteuer. Bei seinem Besuch bei Bundeskanzlerin Merkel in Berlin wurden auch andere Differenzen deutlich.
Warum Dinge verheimlichen, die eh nicht zu übersehen sind? Weder die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, noch der österreichische Kanzler, Sebastian Kurz, gaben sich viel Mühe, bestehende Meinungsverschiedenheiten kleinzureden. Auch wenn beide äußerst höflich miteinander umgingen, Merkel ihren Gast demonstrativ duzte.
Doch inhaltlich liegen die deutsche und die österreichische Regierung weit auseinander, vor allem beim Streitthema "Steuern auf Aktienkäufe". Was Merkel sehr bedauert und im selben Atemzug klarstellt, dass sie bei der Finanztransaktionssteuer keinen gigantisch großen Spielraum für Anpassungen sieht. "Wir können natürlich gerne weiter reden. Es darf nur nicht so sein, dass mit einer Veränderung dann gleich fünf andere Länder wieder abspringen. Es ist also eine sehr schwierige Kiste."
Finanzminister Scholz will mit der Steuer auf Aktienkäufe die Grundrente finanzieren.
Kurz lehnt Scholz-Vorschlag ab
Für die Große Koalition und insbesondere für Finanzminister Olaf Scholz ist die geplante europäische Steuer auf Börsengeschäfte ungeheuer wichtig, weil mit ihrer Hilfe genug Geld für die in Deutschland geplante Grundrente in die Haushaltskasse kommen soll. Doch das europäische Projekt steht auf der Kippe, weil ohnehin nur noch ein überschaubarer Kreis von EU-Staaten mitmachen will und nun auch noch Österreich abzuspringen droht. So sagte Kurz: "Wir sind für die Finanztransaktionssteuer als Spekulanten-Besteuerung, wie sie ursprünglich gedacht war. Der derzeitige Vorschlag von Scholz ist einer, den wir ablehnen."
Und so wird diese Steuer, um mit Merkel zu sprechen, wohl eine "sehr schwierige Kiste" bleiben. Denn der wichtige Partner Frankreich wehrt sich dagegen, die Banken zu sehr in die Pflicht zu nehmen.
Uneinig auch bei EU-Mission "Sophia"
Nun gibt es durchaus Themen, bei denen das Mittagessen zwischen Merkel und ihrem Gast durchaus harmonisch verlaufen sein dürfte: Bei den Klimazielen etwa oder bei den nun in die heiße Phase gehenden Verhandlungen um die EU-Finanzen will man an einem Strang ziehen. Aber: Bei der EU-Marine-Mission "Sophia" im Mittelmeer hören die Gemeinsamkeiten dann auch schon wieder auf. Dazu sagte der österreichische Bundeskanzler: "Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass dieses Rettungsaktionen im Mittelmeer nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben. Sie haben nicht das Sterben im Mittelmeer beendet, sondern sie haben dazu geführt, dass es attraktiver war, sich auf den Weg zu machen."
Uneinigkeit auch beim Thema EU-Mittelmeer-Mission "Sophia"
Merkel wirbt weiter für deutsche Position
Bei kaum einem anderen Thema war der Unterschied zwischen dem konservativen Kanzler und der konservativen Kanzlerin, Kurz und Merkel, in den letzten Jahren so offen zu Tage getreten wie bei der Migration. Aktuell sperrt sich Österreich, obschon ein Land ohne Küste, dagegen, diese EU-Mission "Sophia" wieder aufleben zu lassen. Genau dafür wirbt aber Merkel: "Unsere Argumentation ist etwas anders: Dass dort ja auch sehr viele private Schiffe Seenotrettung betreiben und ich glaube, dass es besser ist, wenn wir eine staatliche Mission wieder haben."
Kurz wettet auf Schwarz-Grün in Deutschland
Bleibt noch atmosphärisch anzumerken, dass sich Österreichs alter und neuer Kanzler Kurz, der zunächst mit der rechten FPÖ koalierte und nun seit kurzem mit den Grünen, im "Welt"-Interview zu der Prognose hinreißen ließ, dass es auch in Deutschland womöglich nach der Bundestagswahl bald ein schwarz-grünes Bündnis geben könnte:
Ich mische mich ganz bewusst nicht in Deutschland ein. Ich habe mich nur dazu verleiten lassen, eine Wette einzugehen, dass vielleicht nach der nächsten Wahl in Deutschland eine ähnliche Koalition realistisch ist.
Wenig überraschend, dass sich Merkel hier lieber nicht auf Spekulationen einlassen wollte und auf den Unterschied von Umfragen und Wahlen hinwies. "Wie die Wahlen ausgehen, da fließt noch ziemlich viel Wasser die Spree oder die Havel oder wen auch runter…" Worauf Kurz einwirft: "Donau". Daraufhin Merkel: "Donau bei uns weniger, aber auch in Bayern - insofern können wir uns sogar auf einen gemeinsamen Fluss einigen." Immerhin das, auch wenn Merkel Einigkeit bei der Finanztransaktionssteuer sicher lieber gewesen wäre als bei dem Fluss.