Nachfrage übersteigt Angebot Mehr Kinder als je zuvor in Tagesbetreuung
Im vergangenen Jahr besuchten so viele Kinder wie nie zuvor eine Kita oder Tagespflege. Trotzdem bleibt die Betreuungslücke groß - besonders bei den Kleinsten. Gestern hatten Wissenschaftler bereits vor einer Überlastung der Kitas gewarnt.
In Deutschland haben 2023 mehr Kinder eine Tageseinrichtung oder Tagespflege besucht als je zuvor. Zum 1. März waren es knapp 860.000 unter Dreijährige und knapp 2,7 Millionen über Dreijährige. Das geht aus einem Bericht des Bundesfamilienministeriums hervor. Das bedeute für beide Altersklassen einen Anstieg: Bei den Kindern unter drei Jahren von zwei Prozent und bei den über Dreijährigen von 1,5 Prozent.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte, der Bedarf übersteige dennoch weiterhin das Angebot. Die Bundesregierung führe das Kita-Qualitätsgesetz deshalb auch nach 2024 fort und stelle in den kommenden zwei Jahren weitere vier Milliarden Euro bereit, um insbesondere Fachkräfte zu gewinnen und zu binden.
Wachsende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage
Die Lücke zwischen Betreuungsbedarf und -angebot sei bei den unter Dreijährigen um einen Prozentpunkt größer geworden, heißt es in dem Bericht. Es würden zwar 36,4 Prozent der Kinder aus dieser Altersgruppe betreut. Demgegenüber stünden jedoch 51 Prozent der Eltern, die für ihre unter dreijährigen Kinder eine Betreuung wünschten. Von den Drei- bis Fünfjährigen werden 91,3 Prozent betreut, bei einem Bedarf von 96,7 Prozent.
Warnung vor Überlastung
Gestern hatten 300 Wissenschaftler in einem offenen Brief vor einer Überlastung der Kitas gewarnt. Das Schreiben, das der "Zeit" vorab vorliegt, richtet sich an die Parteispitzen der Regierungskoalition und soll heute veröffentlicht werden. Die Wissenschaftler warnen vor den negativen Auswirkungen von Stressbelastung in den ersten Lebensjahren vieler Kinder und einer Gefährdung des Kindeswohls. Aufgrund von Personalmangel und überfüllten Gruppen zeigten bereits Ein- und Zweijährige Zeichen von Erschöpfung und Unwohlsein.
In dem offenen Brief heißt es: "Die Folgen für Kinder, Eltern, Fachkräfte und die gesamte Gesellschaft sind jetzt schon durch eine Zunahme psychischer Auffälligkeiten sowie eine wachsende Bildungslücke - insbesondere bei von Armut betroffenen oder bedrohten Kindern - fast irreparabel." Unterzeichnet haben das Schreiben namhafte Entwicklungspsychologinnen, Kindheitspädagogen, Bildungsforscherinnen und Mediziner.