Kinder einer Kita nehmen in einem Gruppenraum mit ihrern Erzieherinnen an einer Bewegungseinheit teil.

Tausende Plätze fehlen Viele Kitas stehen vor dem Kollaps

Stand: 09.03.2024 11:28 Uhr

Bundesweit fehlen etwa 430.000 Kita-Plätze. Ihrem Auftrag zu frühkindlicher Bildung können Kindertagesstätten wegen Personalnot oft nicht gerecht werden. Was hilft gegen einen "Kita-Kollaps"?

Von Sonja Hößl und Cornelia Benne, BR

Frühkindliche Bildung statt nur Betreuung - das ist das Ziel der Münchner Kita "Haus für Kinder". Doch genau wie in vielen andere Kitas in ganz Deutschland fehlt das Personal dafür. Etwa 145 Kinder hätten hier Platz. Aktuell können aber einige Plätze nicht belegt werden, weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen.

Aber auch Eltern, deren Kinder einen Platz haben, müssen bei krankheitsbedingten Ausfällen des sowieso knappen Fachpersonals improvisieren. Die Personalnot frustriert Bianka Dangl, die Leiterin der Kita: "Aufgrund des Personalmangels oder von Ausfällen durch Krankheit können wir die Kinder nicht so begleiten und fördern, wie es unser eigener Anspruch ist."

Ein Problem, das Kitas in ganz Deutschland beschäftigt. Laut "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung fehlen deutschlandweit rund 430.000 Kita-Plätze. Immer mehr Eltern wünschen sich aber eine fachgerechte Betreuung - insbesondere für ihre jüngeren Kinder.

Bertelsmann Stiftung
Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 durch den Unternehmer Reinhard Mohn gegründet, den damaligen Chef des Medienkonzerns Bertelsmann. Nach Angaben des Konzerns hält die Stiftung heute mehr als 80 Prozent der Aktien am Bertelsmann Verlag, zu dem unter anderem die RTL Gruppe sowie Penguin Random House gehören. Für ihre Studien sammelt und analysiert die Stiftung Daten und gibt Handlungsempfehlungen an Entscheidungsträger ab.

Rechtsanspruch auf Kita-Platz oft nicht erfüllbar

Eigentlich haben Eltern seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder, die älter als ein Jahr alt sind. Für die über Dreijährigen gilt der Anspruch schon seit 1996. "Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen", erklärt Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung.

Die Situation sei für Kinder, Eltern und das vorhandene Personal untragbar geworden. Um den derzeitigen Betreuungsbedarf der Eltern zu decken, müssten laut Bertelsmann Stiftung 98.600 Fachkräfte zusätzlich in den Kitas arbeiten.

Hohe Belastung für Kita-Personal

Nicht nur für die Eltern sind fehlende Kita-Plätze und Personalmangel ein Problem. Fehlen Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas, müssen die vorhandenen Fachkräfte mehr Kinder betreuen und sind einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. Die zeigt sich auch in einer Auswertung der Krankenkasse DAK. Der Krankenstand von Kita-Beschäftigen war im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Jahr 2023 mit sieben Prozent überdurchschnittlich hoch.

Um auf den drohenden Kollaps in bayerischen Kitas aufmerksam zu machen, hat der Verband "Kita-Fachkräfte Bayern" im Februar 2024 eine Petition an den Bayerischen Landtag überreicht. Die Petition "Stoppt den Kollaps des Kita-Systems" mit über 14.000 Unterschriften fordert unter anderem einen höheren Betreuungsschlüssel - also weniger Kinder pro Fachkraft.

Die Leiterin des Sozialausschusses im Bayerischen Landtag, Doris Rauscher, nahm die Petition entgegen. Aus Sicht der SPD-Politikerin spitzt sich die Situation zu: "Wir stehen tatsächlich vor dem Kita-Kollaps. Wir wissen, die Finanzierung passt hinten und vorn nicht mehr, Personal fehlt. Und die Attraktivität für die, die noch in der Kita arbeiten, ist nicht wirklich hoch. Viele verlassen den Bereich der Kindertagesbetreuung."

Das beobachtet auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie nimmt eine zunehmende Berufsflucht wahr - also Kita-Personal, das die Branche verlässt. "Das fängt schon in der Ausbildung an, weil die Kollegen den Personalstand mitkriegen und sehen, dass sie das, weshalb sie eigentlich in den Beruf gehen, gar nicht ausüben können", sagt Hilger Uhlenbrock von der GEW.

Ein Lösungsansatz: Öffnungszeiten verkürzen

Wie kann man also den Stress in den Kitas reduzieren? Im bayerischen Neustadt an der Donau hat im September 2023 die Eltern-Initiative "Donaupfauen" eröffnet - mit kurzen Öffnungszeiten von 8 bis 14 Uhr. So soll das Personal entlastet werden, aber auch die Eltern sollen davon profitieren. Die Öffnungszeiten sind zwar kürzer als in anderen Kitas, aber dieses Zeitfenster sei dafür zuverlässig mit ausreichend Fachpersonal besetzt. Die kurzen Arbeitszeiten machten laut Initiative die Suche nach Kita-Personal leichter.

Funktionieren kann es in Neustadt aber nur, weil die Eltern bei der Betreuung am Nachmittag Unterstützung haben. "Oma und Opa springen am Nachmittag ein und das brauchen wir auch tatsächlich, damit ich zwei ganze Tage arbeiten kann", sagt Sonja Prasch, deren Kinder die "Donaupfauen" besuchen.

Kinder schauen zu, wie eine Erzieherin Farbe in einen Becher abfüllt.

Die Eltern-Initiative "Donaupfauen" hat kurze Öffnungszeiten von 8 bis 14 Uhr.

Quereinsteiger könnten Kitas entlasten

Aber nicht alle Eltern haben die Möglichkeit, auf Großeltern zurückzugreifen oder in Teilzeit zu arbeiten. Es bedarf also weiterer Lösungsansätze, um einen Kita-Kollaps abzuwenden.

Als kurzfristige Lösung müsste laut der Bertelsmann Stiftung das pädagogische Personal in der Verwaltung entlastet werden. Auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger könnten helfen. Langfristig müsste aber eine Strategie entwickelt werden, um neue Fachkräfte zu gewinnen und das derzeitige Personal mit attraktiveren Arbeitsbedingungen zu halten. Dafür sei eine enge Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen und Trägern nötig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Februar 2024 um 10:08 Uhr.