Abstimmung in Thüringen Hat Rot-Rot-Grün Mehrheiten mit der AfD gebildet?
Nach der Abstimmung zur Senkung der Grunderwerbssteuer in Thüringen - und der harschen Kritik daran - heißt es, auch die rot-rot-grüne Minderheitsregierung habe bereits mit Stimmen der AfD Vorhaben durch den Landtag in Erfurt gebracht. Stimmt das?
Kam der "Dammbruch" in Thüringen schon viel früher als am Donnerstag, als die CDU mit den Stimmen von FDP und AfD in Thüringen durchsetzte, dass die Grunderwerbssteuer von 6,5 auf 5 Prozent gesenkt wird? Der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt sagte im Interview mit den tagesthemen: "Ich bin schon ein klein wenig über die Doppelmoral überrascht, die es da gibt. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat mehrere Beschlüsse in diesem Parlament nur mit Stimmen der AfD hinbekommen und hat dadurch die Mehrheit erhalten."
Zwei Vorgänge können gemeint sein
Es gibt zwei Vorgänge im Thüringer Landtag, die damit gemeint sein könnten. Bereits im März hatte die CDU erklärt, Linke, SPD und Grüne hätten beim Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung nur gemeinsam mit der AfD eine Mehrheit erlangt. "Gemeinsam haben sie per Gesetz die Kommunalordnung geändert - gegen Empfehlung der Spitzenverbände. CDU und FDP nicht dafür, Mehrheit dank AfD", schrieb der Landtagsabgeordnete Andreas Bühl damals bei Twitter, jetzt X.
Der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow wies das scharf zurück. Die Mehrheit sei zustande gekommen, weil die FDP sich enthalten habe und mehrere CDU-Abgeordnete nicht anwesend gewesen seien, schrieb er bei Twitter.
Inhaltlich ging es bei der Gesetzesänderung darum, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden sollten, wieder selbst darüber zu entscheiden, ob nicht beschließende Ausschüsse öffentlich sein dürfen. Aus dem Sitzungsprotokoll ist zu entnehmen, dass die Regierungsfraktionen, die AfD-Fraktion und die fraktionslose Abgeordnete Ute Bergner dafür stimmten, die CDU-Fraktion dagegen und die FDP-Fraktion sich enthielt. Aus dem Sitzungsprotokoll geht allerdings nicht hervor, wie viele Abgeordnete zu diesem Zeitpunkt anwesend waren, da es sich nicht um eine namentliche Abstimmung handelte.
Im Thüringer Landtag hat die Regierung aus Linken, SPD und Grünen insgesamt 42 Sitze, die Opposition 48 Sitze. Davon entfallen vier Sitze auf die FDP. Wenn eine Fraktionslose für die Änderung gestimmt hat, müssten für eine Mehrheit ohne die AfD also zwei CDU-Abgeordnete gefehlt haben.
Verschiedene Rechnungen
Bei der zweiten Abstimmung, um die es geht, hatten Abgeordnete von CDU und FDP im April einen Untersuchungsausschuss zu einem möglichen Fehlverhalten der Landesregierung bei der Vergabe öffentlicher Ämter gefordert. Linke, SPD und Grüne änderten den Antrag ab - und stimmten gemeinsam mit der AfD für die Änderung.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling schrieb dazu heute bei X, ehemals Twitter, dass die Mehrheitsverhältnisse damals nicht von der AfD abhingen, da die Regierungsfraktionen auf 42 Stimmen kommen, CDU- und FDP-Fraktion zusammen dagegen nur auf 25 Stimmen. Ob die AfD-Fraktion dafür gestimmt habe, sei deshalb nicht entscheidend.
Die Rechnung machte auch der Linken-Abgeordnete Stefan Dittes auf: CDU und FDP könnten Mehrheiten nur gemeinsam mit der AfD erlangen. Die Regierungskoalition sei dagegen darauf angewiesen, dass CDU und FDP nicht mit der AfD eine Mehrheit bildeten.
Die Rechnung, wer in einem Bundesland mit Minderheitsregierung wie Mehrheiten bildet, kann unterschiedlich betrachtet werden. Auch die Wahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten durch die Fraktionen von CDU, FDP und AfD galt Anfang 2020 als Tabubruch. Ob der "Dammbruch" in Thüringen also nicht ohnehin schon viel früher kam, darüber lässt sich streiten.