Vorhaben der Ampelkoalition Warum das Tariftreuegesetz nicht vorankommt
Die SPD will das geplante Tariftreuegesetz so schnell wie möglich einführen, die FDP hat das Gesetzgebungsverfahren aber erst einmal angehalten. Worum geht es? Ein Überblick.
Firmen, die für den Bund arbeiten, sollen nach dem Willen von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil nach Tarif zahlen. Das Gesetzesprojekt kommt nicht voran. Die FDP hat offensichtlich Vorbehalte. Antworten auf wichtige Fragen.
Worum genau geht es bei dem Gesetz?
Das Tariftreuegesetz besagt, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die ihren Beschäftigten Löhne zahlen und überhaupt Arbeitsbedingungen bieten, wie sie in einem Tarifvertrag der jeweiligen Branche üblich sind.
Dabei geht es unter anderem um die Bauindustrie und die milliardenschweren Investitionen des Bundes in die Sanierung von Autobahnen und Schienennetz. Im Vergaberecht ist festgelegt, dass die öffentliche Hand immer den günstigsten Anbieter beauftragen muss - und da soll das Tariftreuegesetz dazu beitragen, dass der Kostenwettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, also durch Lohndrückerei.
Ein Tariftreuegesetz würde dabei auch für Subunternehmen gelten, der Hauptauftragnehmer muss also auch alle anderen beteiligten Firmen verpflichten, den Tarif einzuhalten - sonst können Strafzahlungen fällig werden oder es droht in besonders schweren Fällen sogar der Entzug des öffentlichen Auftrags.
Das ist zumindest die Theorie. In der Praxis fällt es öffentlichen Auftraggebern oft schwer, überhaupt Unternehmen zu finden, die ihre Bauaufträge übernehmen, weil die Branche mit Fachkräftemangel und steigenden Baustoffpreisen kämpft. Das heißt: Ein einmal abgegebenes Angebot für einen Auftrag kann später für das Unternehmen möglicherweise überhaupt nicht mehr lukrativ sein.
Warum sind sich die Koalitionsparteien uneins?
Kontrovers diskutiert wird ein Tariftreuegesetz für den Bund schon mehr als seit 20 Jahren. In den Bundesländern - außer in Bayern und Sachsen - gibt es eine solche Tariftreue-Regelung auch längst, aber der Bund selbst hat noch kein Tariftreuegesetz. Deshalb haben die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag vereinbart, es auch für den Bund einzuführen.
Nun haben vor allem SPD und FDP aber unterschiedliche wirtschaftspolitische Positionen: Die SPD will Arbeitnehmer vor schlechten Löhnen schützen, und sie will generell will die Tarifbindung stärken. In Deutschland sind nicht einmal die Hälfte aller Arbeitsplätze tarifgebunden, auch weil Unternehmen oft aus Arbeitgeberverbänden aussteigen und eigene Regelungen treffen.
Die FDP dagegen sagt, es brauche nicht noch mehr Bürokratie, nicht noch mehr Belastungen für die Unternehmen. Deshalb haben die Liberalen das Tariftreuegesetz angehalten, bis klar ist, ob und wo die Betriebe an anderer Stelle entlastet werden können. Genau das hat Bundesfinanzminister Christian Lindner zum Beispiel mit der sogenannten Wachstumsinitiative vor, die Unternehmen Steuererleichterungen bringen soll und günstigere Energiepreise. Auch die muss aber noch vom Bundestag verabschiedet werden.
Ist ein Kompromiss erkennbar?
Dass in einer Koalitionsregierung einzelne Parteien die anderen unter Druck setzen nach dem Motto: Ich stimme Deinem Gesetz zu, wenn Du auch meinem zustimmst - das ist ein ganz normaler Vorgang.
Exemplarisch war in dieser Hinsicht der Streit um die Kindergrundsicherung. Familienministerin Lisa Paus hatte vor Monaten ein Konjunkturförderungsgesetz aus dem Finanzministerium angehalten, weil sie von Finanzminister Lindner mehr Geld für ihr eigenes Projekt zugesichert haben wollte. Die Kindergrundsicherung ist allerdings bis heute nicht verabschiedet.
Ein anderes, aktuelles Beispiel ist das Rentenpaket II: Mit ihm will die SPD das Rentenniveau auf Jahre festschreiben - während die FDP ist skeptisch ist, weil dadurch die Rentenbeiträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigen können. Die Zustimmung der Liberalen wird also am Ende auch dabei einen politischen Preis haben.
Die Ampelkoalition hat jetzt regulär noch ein Jahr Zeit zum Regieren - und dabei wächst allmählich der Einigungsdruck: Denn in der Bundespolitik gilt das Diskontinuitätsprinzip. Das heißt: Gesetze, die nicht bis zum Ende der Wahlperiode vom Bundestag verabschiedet sind, fallen einfach unter den Tisch - die nächste Bundesregierung muss dann mit dem jeweiligen Thema ganz von vorn anfangen.