Verzögerung beim Tariftreuegesetz "Nicht sehr klug von der FDP"
In der Ampel-Regierung droht neuer Streit: Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, will die SPD, dass Firmen, die für den Bund arbeiten, nach Tarif zahlen müssen. Die FDP hat aber offenbar Vorbehalte und blockiert die Vorlage.
Die Verzögerung des geplanten Tariftreuegesetzes sorgt für breite Kritik. SPD, Grüne und FDP hatten sich 2021 in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein solches Gesetz zu verabschieden - Ziel sind tarifvertragliche Regeln für Mitarbeitende von Unternehmen, die Aufträge vom Bund bekommen. In der vergangenen Woche hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärt, er habe einen Entwurf für das geplante Gesetz den anderen Kabinettsmitgliedern zur Ressortabstimmung vorgelegt.
Das von FDP-Chef Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium blockiert die Vorlage aber offenbar unter Verweis auf steigende Bürokratie. Wie es aus Regierungskreisen in Berlin hieß, will das Ministerium zuerst Entlastungen von Firmen von Bürokratie an anderer Stelle, bevor durch das Gesetz neue Lasten entstehen.
Esken: "Falsch verstandene Wirtschaftsfreundlichkeit"
SPD-Chefin Saskia Esken ging den Koalitionspartner nun scharf an: "Das Tariftreuegesetz kommt - es aus falsch verstandener Wirtschaftsfreundlichkeit aufhalten zu wollen, ist nicht sehr klug von der FDP", sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Gute Löhne müssten gewährleistet sein, wenn jemand im Auftrag des Staates arbeite. "Gerade da, wo der Bund Aufträge vergibt, müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter herrschen - und Lohndumping sollte dort niemandem einen Vorteil verschaffen."
Der Staat müsse Vorbild sein, wenn es um faire Arbeitsbedingungen und Löhne gehe, von denen Menschen gut leben können, so Esken weiter. "Sie sind die Grundlage unserer sozialen Marktwirtschaft."
Kritik vom DGB
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte die Umsetzung des Vorhabens. "Ich kann nur allen Beteiligten dringend empfehlen, jetzt nicht auf halbem Weg die Flinte ins Korn zu werfen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell den Zeitungen des RND. "Wer für fairen Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe sorgen will, wer tarifgebundene Unternehmen und deren Beschäftigte vor Billiganbietern schützen will, macht den Weg frei für ein Tariftreuegesetz, wie der Arbeitsminister es vorgeschlagen hat."
Das Argument einer zu starken Belastung der Firmen wies Körzell zurück: "Der Gesetzentwurf ist bürokratiearm, das haben die Gewerkschaften immer gefordert."
Auch CDU-Sozialflügel macht Druck
Druck kommt auch aus der Opposition - etwa vom CDU-Sozialflügel. "Das Tariftreuegesetz muss kommen", sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeiterschaft (CDA), Dennis Radtke, den RND-Zeitungen. Er erinnerte daran, dass die europäische Mindestlohnrichtlinie bis Ende November in nationales Recht umgesetzt werden müsse. "Um 80 Prozent Tarifbindung zu erreichen, braucht es konkrete Maßnahmen." Das Tariftreuegesetz sei ein Baustein von mehreren.
Die Linke-Vorsitzende Janine Wissler erklärte, Heil und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "müssen endlich Rückgrat zeigen und die FDP in die Schranken weisen". SPD und Grüne würden "von der neoliberalen Erpressertruppe um Bandenchef Christian Lindner mal wieder vorgeführt". Der Bund müsse "mit gutem Beispiel vorangehen und das Tariftreuegesetz schnellstens auf den Weg bringen", verlangte Wissler. "Die Ampel kann so ein Zeichen setzen gegen den dramatischen Einbruch bei der Tarifbindung."
Arbeitgeber: Pläne wirklichkeitsfremd und wirtschaftsfeindlich
Auch von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte es massive Kritik am Verhalten der FDP gegeben. Der Vorsitzende Frank Werneke sagte den Funke-Zeitungen, die Verhinderung von Lohndumping durch eine nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung sei ein zentrales Projekt der Ampel-Koalition zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. "Wenn die FDP nach einem längst verkündeten Kompromiss nun das Tariftreuegesetz wieder infrage stellt, droht der Ampel-Koalition weiterer schwerer Schaden an ihrer politischen Glaubwürdigkeit", warnte er.
Zu den Aussagen hieß es aus dem Finanzministerium, Werneke irre. Es habe bislang keinen abschließenden Kompromiss gegeben. Auch habe das Arbeitsministerium vorzeitig die Öffentlichkeit gesucht.
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, kritisierte wiederum die "Maximalpositionen" des Arbeitsministeriums als wirklichkeitsfremd und wirtschaftsfeindlich. "Wir fordern die Regierung auf, die Pläne für einen Tarifzwang bei öffentlichen Aufträgen endlich aufzugeben oder praxisnah fortzuentwickeln."