Klarstellung der SPD-Fraktion "Wir planen keinen sozialen Pflichtdienst"
Fraktionsvize Wiese hatte erklärt, die SPD plane einen Vorstoß zum sozialen Pflichtdienst. Nun stellt die Partei klar: Es gebe keine Pläne. Es handele sich bei Wieses Aussagen lediglich um einen "persönlichen Debattenbeitrag".
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, hat klargestellt, dass ihre Partei keinen sozialen Pflichtdienst plant. Die Fraktion beschäftige sich durchaus mit den Herausforderungen für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft, sagte sie in einem Pressegespräch. "Dazu gibt es viele Vorschläge, die der Abgeordnete Dirk Wiese durch einen persönlichen Debattenbeitrag ergänzt hat", sagte Mast. "Die SPD-Fraktion plant allerdings keinen Pflichtdienst."
Mast ordnete damit eine Aussage des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese ein, der erklärt hatte, seine Fraktion wolle nach der parlamentarischen Sommerpause die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes von mindestens drei Monaten angehen.
Wiese warb für Debatte um Pflichtdienst
Wiese sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Wir brauchen wieder mehr Respekt im Umgang und ein stärkeres Miteinander im Land." Beides schwinde "im täglichem Umgang und digital, in Freibädern, beim Nichtbilden von Rettungsgassen, im Alltag oder bei AfD-Trollen im Internet".
Er warb dafür, offen über die Vorschläge zu reden, die etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die Debatte eingebracht habe. Steinmeier hatte sich kürzlich erneut für einen sozialen Pflichtdienst für junge Menschen ausgesprochen.
Es gehe insbesondere um die Frage, wann ein solcher Dienst absolviert werden könnte und wer alles in Frage komme, so Wiese weiter. Klar sei aber: "Eine soziale Pflichtzeit muss dabei kein ganzes Jahr andauern - aber doch mindestens drei Monate."
Auch die Pflegebevollmächtigte der Regierung, Claudia Moll (SPD), sprach sich nun für eine entsprechende Neuerung aus. "Es ist richtig und wichtig, eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit anzustoßen, und ich finde diese Idee aktueller und relevanter denn je", sagte Moll der Nachrichtenagentur dpa. Sie sieht in einer möglichen Pflichtzeit unter anderem die Chance, mehr junge Menschen für soziale Tätigkeitsfelder zu gewinnen.
Große Ablehnung aus der FDP
Grüne und FDP äußerten sich kritisch zu dem Vorstoß. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist das Vorhaben nicht vorgesehen. "Das bedeutet Enteignung von Lebenszeit für den einzelnen Menschen und passt auch volkswirtschaftlich nicht in eine Zeit des Arbeitskräftemangels", twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP. Er habe großen Respekt vor dem freiwilligen Ehrenamt. "Einen Pflichtdienst für junge Menschen aber lehne ich ab."
Seine Parteikollegin, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, sagte der "Rheinischen Post": "Ein Pflichtdienst wird nicht besser, wenn man aus einem Jahr drei Monate macht." Junge Menschen hätten stark unter der Corona-Pandemie gelitten. "Was sie jetzt nicht brauchen, ist ein staatlicher Eingriff in ihren Lebenslauf", sagte die Ministerin und betonte: "Mit den Freien Demokraten wird kein Pflichtdienst kommen." Ihre Partei sei "gerne bereit, über Freiwilligendienste zu sprechen und was hier verbessert werden kann".
VdK: Pflichtdienst macht keine Sinn
Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach sich ebenfalls gegen ein Pflichtjahr aus. Er regte stattdessen eine Reform der Lehrpläne in Schulen an. So sei es grundsätzlich wünschenswert, allen jungen Menschen früh auch Erfahrungen im Sozialen zukommen zu lassen, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. Für ein dreimonatiges Praktikum "jedoch kostspielige bürokratische Strukturen und ein neues Kreiswehrersatzamt aufzubauen, wäre völlig unverhältnismäßig."
Auch der Sozialverband VdK wies den SPD-Vorstoß zurück. "Jugendliche zu einem sozialen Pflichtdienst zu verdonnern, macht keinen Sinn", sagte Verbandspräsidentin Verena Bentele der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Gerade soziale Berufe brauchten motiviertes und gut ausgebildetes Personal. Es sei zudem "unfair", Jugendlichen pauschal zu unterstellen, sich nicht für die Gesellschaft zu interessieren, wie es die Forderung nach einem sozialen Pflichtjahr suggeriere. Dennoch sollten die Freiwilligendienste ausgebaut und auch finanziell attraktiv gestaltet werden.
Über das Vorhaben wird seit Jahren immer wieder gestritten. Kritiker verweisen darauf, dass ein Pflichtdienst zu verfassungsrechtlichen Problemen führe. Die Union will ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr in Deutschland einführen.