Bundespräsident Steinmeier will Pflichtdienst für junge Menschen
Für stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt wünscht sich der Bundespräsident eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit. Familienministerin Paus plädiert dafür, den jungen Menschen die Freiheit zur eigenen Entscheidung zu lassen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier regt die Einführung eines sozialen Pflichtdiensts für junge Menschen in Deutschland an. "Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag".
Das müsse nicht bei der Bundeswehr sein, "die soziale Pflichtzeit könnte meiner Meinung nach genauso bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften geleistet werden". Dies so einzuführen werde sicherlich nicht einfach, eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit halte er aber in jedem Fall für angebracht.
"Eigenen Horizont erweitern"
Wie lange ein solcher Dienst aus seiner Sicht dauern sollte, ließ Steinmeier offen: "Ich habe bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein. Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen." Wichtig sei, den eigenen Horizont zu erweitern und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. Mit der Pflichtzeit könnten nach Einschätzung des Bundespräsidenten die Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden.
"Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen." Das baue Vorurteile ab und stärke den Gemeinsinn.
Steinmeier gegen Wiedereinführung der Wehrpflicht
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht hält Steinmeier hingegen nicht für sinnvoll: "Ich war für die Wehrpflicht, solange es sie gab. Sie ist ausgesetzt worden, wir haben jetzt eine Bundeswehr mit ganz anderen Strukturen. Ich rate davon ab, die alte Debatte über die Wehrpflicht neu aufzulegen." Das Land erlebe aber gerade ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen und sich engagieren.
Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden, was praktisch einem Ende des Wehr- und Zivildienstes gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine löste eine neue Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht aus. Politiker aus Union und SPD forderten eine Diskussion über einen solchen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint.
Bundesfamilienministerin Paus kann dem Steinmeier-Vorstoß für einen Pflichtdienst für junge Menschen nichts abgewinnen.
"Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen"
Bundesfamilienministerin Lisa Paus kann dem Steinmeier-Vorstoß für einen Pflichtdienst für junge Menschen nichts abgewinnen. "Ein sozialer Pflichtdienst würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten", erklärte sie. "Wir sollten unseren jungen Menschen, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten und sich trotzdem solidarisch mit den Älteren gezeigt haben, weiterhin die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen."
Paus unterstrich zugleich, dass die verschiedenen Programme für Freiwilligendienste bei Jugendlichen "sehr beliebt" seien. "Viele junge Menschen nutzen dieses Angebot und engagieren sich, meist im sozialen oder ökologischen Bereich." Für den Einzelnen sei dies eine persönliche Bereicherung und für die Gesellschaft "eine wichtige Unterstützung". Die jungen Leute engagierten sich freiwillig und seien "mit Herzblut bei der Sache", lobte Paus.