Beschluss auf Parteitag SPD sieht frühere Russlandpolitik als Fehler
Die SPD hat sich auf ihrem Parteitag außenpolitisch neu aufgestellt. Insbesondere ihr Verhältnis zu Moskau definiert sie neu - und kritisiert ihre frühere Russlandpolitik ausdrücklich als Fehler.
Die SPD hat bei ihrem Parteitag Fehleinschätzungen in ihrer Russlandpolitik vor dem Krieg in der Ukraine eingeräumt. Die Annahme, mit immer stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu einer Demokratisierung Russlands beizutragen, sei ein Fehler gewesen und habe in eine energiepolitische Abhängigkeit Deutschlands geführt, heißt es in einem Leitantrag zur Außenpolitik, den die Delegierten annnahmen.
Mit dem Beschluss lehnt die SPD laut dem Antrag mit dem Titel "Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch" eine Normalisierung der Beziehungen zur Regierung in Moskau ab, "solange Russland sein imperialistisches Ziel der Eroberung und Unterdrückung souveräner Staaten verfolgt".
Selbstkritik von Partei- und Fraktionschefs
In der Parteitagsdebatte äußerten sich führende SPD-Vertreter selbstkritisch. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, es sei "ein Fehler gewesen, sich vom System Putin nicht früher zu distanzieren". Fraktionschef Rolf Mützenich räumte ein, er habe das imperiale Denken von Kremlchef Wladimir Putin "komplett unterschätzt".
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine war der SPD vorgeworfen worden, das von Russland ausgehende Sicherheitsrisiko lange unterschätzt zu haben. Im Wahlprogramm von 2021 stand noch: "Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben." Nun wird dieser Satz in dem Parteitagsbeschluss ins Gegenteil gedreht: "Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen."
Verteidigung der Entspannungspolitik unter Brandt
Mützenich wandte sich gleichzeitig gegen Versuche, die traditionsreiche Entspannungspolitik der SPD an sich in Misskredit zu ziehen. Es sei eine Schande, sie in eine Linie mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zu stellen, sagte er.
Auch Klingbeil verteidigte die vom damaligen SPD-Kanzler Willy Brandt eingeleitete Politik gegenüber der damaligen Sowjetunion. Statt die eigene Russlandpolitik aufzuarbeiten, hätten Konservative in den vergangenen beiden Jahren versucht, "das Erbe von Willy Brandt mit Schmutz zu bewerfen", sagte er. Er werde nicht zulassen, dass dieses beschädigt werde.
"Militär als Mittel der Friedenspolitik"
Mit dem SPD-Beschluss spricht sich die Partei für eine Führungsrolle Deutschlands in der Welt aus. Militär wird in dem Parteitagsbeschluss ausdrücklich als Mittel der Friedenspolitik anerkannt. Ein souveränes Europa sei die wichtigste politische Antwort auf die Zeitenwende, heißt es außerdem.
Neben dem Ausbau des Binnenmarktes und der Stärkung des sozialen Europa sei es dabei auch wichtig, "dass die Europäische Union die ineffiziente und ineffektive Zersplitterung in ihrer Verteidigungspolitik und ihren Rüstungsindustrien überwindet".
Mit Blick auf die Osteuropapolitik gelte es, "so schnell wie möglich die Voraussetzungen für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus und Georgiens zu schaffen". Staaten in aller Welt erwarteten, "dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt", betont der Beschluss. Mit Blick auf China brauche es "eine europäische Resilienzstrategie, die Risiken verringert".
Scholz: Langfristige Hilfe für Ukraine
Kanzler Olaf Scholz rief auf dem Parteitag dazu auf, die Ukraine wenn nötig auch noch jahrelang im Kampf gegen Russland zu unterstützen. Deutschland hat der Ukraine seit dem russischen Angriff im Februar 2022 milliardenschwere Finanzhilfen und umfangreichen Waffenlieferungen zur Verfügung gestellt.
Angesichts der schwierigen Haushaltslage gibt es Befürchtungen, dass die Bundesregierung ihre Hilfe zurückfahren könnte. "Dieser Krieg ist wahrscheinlich so schnell nicht vorbei", sagte Scholz. Daher sei wichtig, "dass wir lange in der Lage sind, die Ukraine weiter in ihrem Verteidigungskampf zu unterstützen". Dies gelte nicht nur für dieses, nächstes, sondern womöglich auch für übernächstes Jahr.
Deutschland müsse sich dabei sogar darauf einstellen, noch mehr leisten zu müssen, "wenn andere schwächeln", sagte der Kanzler offensichtlich in Anspielung auf die unklare politische Lage in den USA vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Daher müsse es auf deutscher Seite Entscheidungen geben, "dass wir dazu in der Lage sind".