Moratorium für Sozialleistungen Kritik aus SPD und Grünen an Lindner-Vorschlag
Sozialausgaben einfrieren, um mehr Geld für die Bundeswehr zu haben - dieser Vorschlag von Finanzminister und FDP-Chef Lindner stößt bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne auf scharfe Kritik. Sozialverbände nennen die Idee "unanständig".
Die Koalition debattiert darüber, ob und wie die Bundeswehr ab 2028 ausschließlich aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden kann, so wie Bundeskanzler Olaf Scholz es vorhat. Bundesfinanzminister Christian Lindner, der auch FDP-Chef ist, hatte vorgeschlagen, die Sozialausgaben für drei Jahre auf dem derzeitigen Stand einzufrieren, um mehr Geld in Verteidigung investieren zu können - und erntet aus den Reihen der Koalitionspartnern dafür scharfe Kritik.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, für den Lindner-Vorschlag, drei Jahre lang keine neuen Sozialleistungen einzuführen, stehe die Sozialdemokratie nicht bereit. Sie kritisierte, es sei "geradezu verantwortungslos, die Verunsicherung der Menschen mit alarmistischen Botschaften weiter anzuheizen, ohne eigene Lösungen anzubieten".
Esken bekräftigt stattdessen - abweichend von Scholz - die SPD-Idee, Reiche höher zu besteuern. Deutschland sei ein reiches Land, in dem "viele sehr reiche Menschen leben, die einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können und zum Teil auch bereit dazu sind", sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Bas für Anpassung der Schuldenbremse
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wandte sich gegen Lindners Vorstoß und warnte davor, die Finanzierung der Bundeswehr und Sozialausgaben gegeneinander auszuspielen. "Wir müssen die Bundeswehr wieder besser aufstellen, das bedeutet vor allem, sie fit zu machen für die Landes- und Bündnisverteidigung", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gebe aber auch genug andere Baustellen wie die soziale Gerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit, Infrastruktur oder die ökologische Transformation der Industrie. Wenn das eine gegen das andere ausgespielt werde, drohe die Gesellschaft auseinanderzudriften, warnte Bas.
Sie regte in dem Zusammenhang eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz an. Die Schuldenbremse sei richtig und wichtig. Es müsse aber über eine Anpassung debattiert werden, um mehr Spielräume für wichtige Zukunftsinvestitionen zu bekommen. Bas warnte zugleich davor, bei der Unterstützung der Ukraine nachzulassen. "Wichtig ist, das Material schnell zu liefern, das die Ukraine jetzt braucht", sagte die Parlamentspräsidentin.
"Haben soziale Verantwortung"
Auch die Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge lehnen Einsparungen bei den Sozialausgaben ab. Haßelmann erwartet harte Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt für das nächste Jahr. Wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sei, seien weitere Investitionen in die militärische Verteidigung nötig.
"Gleichzeitig haben wir eine soziale Verantwortung. Es darf nicht heißen: Rüstung oder Rente", sagte Haßelmann der Süddeutschen Zeitung. "Die hohen Summen, die notwendig sind, werden wir durch Einsparquoten für jedes Ressort nicht erreichen. Was wir brauchen, sind Zuverlässigkeit und Handlungsspielräume", sagte Haßelmann.
Ähnlich äußerte sich ihre Kollegin Dröge in der Rheinischen Post. Kürzungen bei den Sozialausgaben seien gerade in Zeiten hoher Preise "das falsche Mittel".
"Diese Debatte ist grundfalsch"
Zuvor hatte auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) Lindners Forderung scharf kritisiert. "Es ist unanständig, dass der Finanzminister bei den Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft sparen will", sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. "Wenn ich so etwas höre, frage ich mich immer, ob die Person sich schon einmal mit jemandem unterhalten hat, der auf Sozialleistungen angewiesen ist."
Die Debatte sei grundfalsch, sagte Engelmeier weiter. "Denn davon profitieren vor allem demokratiefeindliche Akteure." Die Verbandschefin forderte: "Statt Aufrüstung auf Kosten von Sozialleistungen zu finanzieren, müssen wir die Einnahmen des Staates stärken. Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse und höhere Steuereinnahmen." Engelmeier nannte eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, eine Reform der Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer für Superreiche.
Hintergrund der Debatte ist unter anderem die Zusage der Bundesregierung an die NATO, Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erreichen. Im laufenden Jahr erreicht Deutschland die NATO-Quote nach Bündnisangaben mit 2,01 Prozent nur ganz knapp.