Ampel-Sondierungen Warum es die Grünen eilig haben
Vergangene Woche noch betonten Grüne und FDP, abgestimmt vorgehen zu wollen. Nun preschen Baerbock und Habeck vor. Die Liberalen spüren, welche Kräfte in einem Ampel-Bündnis wirken könnten.
Die Antwort der Liberalen ließ länger auf sich warten als angekündigt. Die für elf Uhr angesetzte Pressekonferenz von Parteichef Christian Lindner begann mit gut 30 Minuten Verspätung. Möglicherweise war das ein erstes Zeichen, dass das Selbstbewusstsein der Grünen bei der FDP nur bedingt ankommt - und zumindest für Diskussionen sorgt.
Das zweite Zeichen setzte Lindner gleich zu Beginn seines Statements: "Wir haben eine inhaltliche Koalitionsaussage gemacht", betont der Liberalen-Chef wie zur Beruhigung. "Die FDP tritt nur in eine Regierung der Mitte ein, die den Wert der Freiheit stärkt und einen echten Impuls zur Erneuerung unseres Landes setzt." Damit war ein durchaus großes Aber formuliert, das den Rahmen schuf für die anschließende Zusage, in Sondierungen mit SPD und Grünen einzutreten.
Nicht abgestimmt?
Viel entschiedener schienen eine gute Stunde zuvor die Grünen-Parteichefs. Die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass die größten inhaltlichen Schnittmengen in einem Bündnis zwischen Grünen, FDP und SPD denkbar seien, hatte Robert Habeck vorgelegt. Möglicherweise ein Vorgehen, das so nicht mit der FDP abgestimmt war.
Denn die Untertöne, die am Vormittag zwischen Grünen und Liberalen mitschwangen, zeigen, dass die Regierungsbildung im Dreierbündnis durchaus eine kipplige Angelegenheit werden könnte. Es sei "sinnvoll jetzt weiter mit SPD und FDP vertieft zu sprechen", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Und die Vokabel "sinnvoll" lässt ahnen, dass es bis zu leidenschaftlicher Regierungsarbeit zehn Tage nach der Wahl noch ein weiter Weg ist.
Denn die Dreiergespräche, die nach Wunsch der FDP am morgigen Donnerstag direkt losgehen sollen, könnten sich schnell an den vielzitierten Gegensätzen verhaken. Dieses Risiko wollen die Grünen offenbar offensiv angehen. "Für uns geht es darum, die Dinge nicht künstlich zu verkomplizieren und in die Länge zu ziehen", beschreibt Habeck.
"Die Vorgespräche müssen ja irgendeinen Sinn gehabt haben. Wenn man daraus ableitet, alles ist gleich zu bewerten, dann hätte man sich das auch sparen können." Von "intensiven und diskreten" Beratungen mit den Grünen "trotz aller Unterschiede" berichtet Lindner. In der Hinsicht seien für ihn die Überschneidungen mit der Union deutlicher.
"Der Keks ist noch nicht gegessen"
Inhaltlich sei eine Zusammenarbeit in einem Jamaika-Bündnis daher für die FDP eine Option. Auch die Grünen schließen dies nicht gänzlich aus. "Der Keks ist noch nicht gegessen", beschreibt Habeck norddeutsch-trocken. Der Grund, warum die FDP zögert, mit den eigenen Überzeugungen offensiver umzugehen, liegt im denkbar schlechten Bild der Union. "Regierungswille und Geschlossenheit der Unionsparteien werden in der Öffentlichkeit diskutiert", räumt Lindner ein.
Es ist ein Zeichen, dass Jamaika für ihn am Ende zwar eine gute Idee sein mag, mit der siechenden Union aber kaum machbar erscheint. Wie als Bestätigung bezeichnet CSU-Chef Markus Söder wenig später eine mögliche Jamaika-Koalition als nicht wahrscheinlich.
Das erklärt die vorantreibende Strategie der Grünen. Wenn ein Schwenk zur Union nicht mehr als eine theoretische Option ist, hält man die FDP offensichtlich in den anstehenden Gesprächen mit der SPD für wesentlich berechenbarer. "Die Fragen, die ideologisch trennend sind, die im Wahlkampf teilweise aufgebauscht, teilweise bestanden haben, müssen so stabil geklärt und vordiskutiert sein, dass man darauf aufbauend dann ein gutes Gefühl hat, in einem Koalitionsvertrag weiterzukommen", beschreibt Habeck. Am Ende müsse ein politisches Bekenntnis stehen, auf dem eine Koalition fußt.
Eine Vision, der Lindner offenbar etwas abgewinnen kann. Von Vorstand und Bundestagsfraktion sei sein Vorgehen einmütig begrüßt worden. Auch wenn der jetzt beschrittene Weg statt an eine Liebesheirat eher an eine Therapiesitzung erinnert. Trotz aller Unterschiede habe sich für Lindner "ein gemeinsames Interesse ergeben".
Man habe erfahren, dass aus Verständigung mit den Grünen ein "fortschrittfreundliches Zentrum" gebildet werden könne. Das mag alles etwas verkrampft klingen, Christian Lindner scheint es zu beflügeln: "Daraus ergibt sich viel Fantasie", schließt der FDP-Chef und lächelt kurz verschmitzt.