Scholz reist in die USA Keine 24 Stunden in Washington
Der Kanzler reist zum dritten Mal in seiner Amtszeit nach Washington. Neben einem Gespräch mit US-Präsident Biden will Scholz hochrangige Kongressvertreter und Unternehmer treffen. Was will er bei dem Kurzbesuch erreichen?
Wenn Olaf Scholz über Joe Biden spricht, dann klingt stets sehr viel Sympathie heraus. "Middle Class Joe" nennen sie Biden. Ein Mann auch für die Arbeiterklasse. Davor hatte der Sozialdemokrat Scholz schon damals Respekt, als er wenige Tage vor Beginn des Ukraine-Krieges Anfang Februar 2022 als frischgewählter Kanzler zum Antrittsbesuch nach Washington reiste.
Jetzt, zwei Jahre später, wird Olaf Scholz seinem "guten Freund" Biden zum dritten Mal im Oval Office gegenübersitzen. Und im Kanzleramt fragen sie sich sorgenvoll hinter vorgehaltener Hand, ob es zugleich das letzte Mal sein könnte.
Im November sind Wahlen in USA. Und auch wenn der Kanzler den Namen Donald Trump nur ungern ausspricht - sie bereiten sich im Kanzleramt auch darauf vor, es möglicherweise ein zweites Mal mit einem erratischen und schwer berechenbaren Präsidenten Trump zu tun zu bekommen.
"Umso wichtiger ist es jetzt, mit dieser Regierung Biden in den verbleibenden Monaten noch ins Trockene zu bringen, was auch immer geht, bevor eine Wahl ansteht, von der niemand weiß, wie sie ausgeht", sagt der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, der FDP-Politiker Michael Link, dem ARD-Hauptstadtstudio.
Scholz reist einigermaßen stolz ins Weiße Haus
Der Bundeskanzler jedenfalls legt Wert darauf, außen- und vor allem sicherheitspolitisch nichts zu unternehmen, ohne vorher mit Biden gesprochen zu haben. Jede neue deutsche Waffenlieferung an die Ukraine, von "Patriot" oder "Iris-T" bis zum Kampfpanzer "Leopard" - alles stets nur in enger Absprache mit dem US-Präsidenten.
Ob die viel diskutierten "Taurus"-Marschflugkörper aus Deutschland, auf die die Ukraine so hofft, bei diesem Besuch ein Thema sein werden? Im Kanzleramt schweigen sie dazu.
Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, nennt im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio den amtierenden US-Präsidenten einen Glücksfall. Er befürchte allerdings, dass Biden eher die Ausnahme von der Regel sei, da Biden als überzeugter Transatlantiker Europa stets beigesprungen sei. Jetzt aber sind die Dinge kompliziert.
Dabei reist Scholz einigermaßen stolz ins Weiße Haus. Seine Leute haben gerade ausgerechnet, dass Deutschland seit Kriegsbeginn fast 30 Milliarden Euro an Hilfen für die Ukraine bereits geliefert oder zumindest zugesagt hat. Deutschland ist damit rechnerisch die Nummer zwei der Ukraine-Unterstützer nach den USA.
Kein festliches Bankett
Ausgerechnet in Washington blockieren jetzt die Republikaner weitere US-Finanzhilfen. 60 Milliarden US-Dollar für die Ukraine liegen auf Eis. "Ich hoffe sehr, dass die USA und der Kongress jetzt bald eine Entscheidung treffen, die notwendige Hilfe möglich zu machen", sagt Scholz. Aber im Kanzleramt wissen sie auch, dass der deutsche Einfluss darauf sehr überschaubar ist.
Wenn aber die USA ausfallen, kommt auf Europa und vor allem auf den Kanzler die Mammutaufgabe zu, die Ukraine allein zu unterstützen. Wie schwierig das angesichts der aktuellen deutschen Haushaltslage werden dürfte, wird Scholz Biden im Vieraugengespräch erläutern.
Es war übrigens der US-Präsident, der dieses dritte Treffen anregte. Manches, so hieß es aus dem Weißen Haus, ließe sich eben besser im direkten Gespräch klären. 70 bis 80 Minuten werden die beiden wohl am Freitag zusammensitzen. Und weil es wie schon beim letzten Mal im März des Vorjahres ein reiner Arbeitsbesuch ist, wird es keinen "großen Bahnhof" für den Kanzler geben. Keine schönen Bilder. Auch keine gemeinsame Pressekonferenz.
Dass Scholz anders als beispielsweise der französische Präsident Emmanuel Macron noch nicht zu einem Staatsbesuch nach Washington eingeladen wurde? Kein Problem, sagen sie im Kanzlerumfeld. Scholz sei ohnehin niemand, der ein festliches Bankett samt militärischer Ehren brauche.
Abendessen mit Kongressvertretern
Nach der Ankunft wird der Kanzler erst einmal hochrangige Vertreter aus dem Kongress zu einem Abendessen treffen. Dabei geht es unter anderem darum zu sehen, was in Sachen Ukraine-Hilfe noch geht und wo der Kongress beim Thema Israel steht. Und es geht wohl auch darum, allgemein die Temperatur zu fühlen, wie diese Trump-Republikaner eigentlich ticken.
Frühstück mit Unternehmern
Am Morgen dann ist Scholz Handelsreisender in Sachen Wirtschaftsstandort Deutschland. Der Kanzler hat ein gutes Dutzend Vorstandschefs US-amerikanischer Unternehmen zum Frühstück eingeladen. Seine Botschaft: "Germany is open for business."
Scholz will für Investitionen werben. Der gerade erst beschlossene Deal mit Intel über den Bau einer Chipfabrik in Sachsen-Anhalt, den die Bundesregierung mit zehn Milliarden Euro Staatsgeld subventioniert, dürfte eines der Standortargumente des Kanzlers werden.
Am Abend deutscher Zeit sitzt Scholz im Oval Office. Der Ukrainekrieg, die Lage im Nahen Osten, die NATO-Fortentwicklung: Nur drei der Stichworte auf dem Themenzettel des Kanzlers. Scholz wird von Biden wohl außerdem wissen wollen, warum der US-Präsident den Bau neuer Flüssiggasterminals an den US-Küsten vorerst gestoppt hat - ausgerechnet jetzt, da Deutschland doch auf US-amerikanisches Flüssiggas setzt.
Kein Treffen mit Trump
Ein Treffen mit dem möglichen Präsidentschaftskandidaten und Albtraum aus Merkelzeiten, dem Republikaner Donald Trump, ist explizit nicht vorgesehen. Warum auch, heißt es aus dem Kanzlerumfeld. Der Mann habe derzeit ja gar kein offizielles Amt. Scholz jedenfalls dürfte insgeheim hoffen, dass das auch nach November genauso bleibt.
Keine 24 Stunden wird der Kanzler insgesamt in Washington sein. Seine An- und Abreise gestaltet sich übrigens eher umständlich. Weil nämlich kein A350-Langstreckenflieger der Flugbereitschaft der Bundeswehr zur Verfügung steht, muss die Delegation heute mit einer kleineren Maschine des Typs A321 reisen und deshalb zwischenlanden. Auf dem Hinweg ein Tankstopp in Island, auf dem Rückweg im kanadischen Neufundland.
Die flugtüchtige A350 der Flugbereitschaft nutzt nämlich der Bundespräsident auf Staatsbesuch in der Mongolei. Und Frank-Walter Steinmeier hat stets das erste Zugriffsrecht, wenn es um Maschinen der Flugbereitschaft geht.