Scholz zu Haushaltsgutachten "Das geht"
Aus dem Urlaub hat sich Kanzler Scholz in den Streit zum Haushalt eingeschaltet. Er zieht andere Schlüsse aus den Gutachten als sein Finanzminister. Sein Fazit: Die Bahn und die Autobahnen können finanziell gestärkt werden.
Tagelang hat das Kanzleramt geschwiegen, jetzt äußert sich Olaf Scholz selbst: Auf zwei Gutachten zum Haushalt schaut er anders als Finanzminister Christian Lindner (FDP). Scholz sieht eine Stärkung von Bahn und Autobahngesellschaft rechtlich für machbar.
"Es war sinnvoll, die Handlungsoptionen der Bundesregierung gutachterlich überprüfen zu lassen, wie Deutsche Bahn und die Autobahnen im Haushalt finanziell gestärkt werden können. Klares Ergebnis des juristischen Gutachtens: Das geht", sagte der SPD-Politiker Zeit Online. Die Bundesregierung werde jetzt vertraulich die nächsten Schritte beraten.
Scholz fügte hinzu: "Es bleibt ein Mysterium, wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte." Das kann als Seitenhieb auf FDP-Chef und Finanzminister Lindner verstanden werden. Im Finanzministerium hatte man nach Veröffentlichung der Gutachten geplante Vorhaben für rechtlich riskant beziehungsweise nicht rechtzeitig umsetzbar erklärt.
Gutachten wegen rechtlicher Bedenken
In den vergangenen Tagen war der Haushaltsstreit der Ampel-Koalition neu aufgebrochen. Hintergrund sind drei Maßnahmen, die die Finanzierungslücke im Etat für das kommende Jahr um zusammen acht Milliarden Euro reduzieren sollten. Lindner hatte rechtliche und wirtschaftliche Bedenken an den Ideen geäußert, die ihm zufolge aus der Feder des SPD-geführten Kanzleramts stammen.
Deshalb hatte er zwei Gutachten zur Bewertung der Pläne in Auftrag gegeben. Der Bielefelder Rechtsprofessor Johannes Hellermann und der unabhängige wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums äußerten daraufhin übereinstimmend Zweifel an der Idee, bei der KfW liegende, ungenutzte 4,9 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse im Haushalt für andere Zwecke zu nutzen.
Probleme mit Darlehen an Bahn und Autobahn?
Weniger eindeutig fielen dagegen die Bewertungen zum Vorhaben aus, der Bahn und der Autobahngesellschaft Darlehen statt Zuschüsse zu zahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen sei das rechtlich umsetzbar, erklärte Hellermann. Der wissenschaftliche Beirat sieht in beiden Fällen allerdings Probleme, weil möglicherweise weder Bahn noch Autobahn das geliehene Geld aus eigenen Einnahmen zurückzahlen könnten. Die bundeseigene Bahn ist bereits hoch verschuldet, die Autobahngesellschaft hat aktuell überhaupt keine eigenen Einnahmen. Dies könnte gesetzlich aber geändert werden, meint Hellermann.
Lindners Ministerium hatte argumentiert, die nötigen Reformen bei der Autobahngesellschaft seien aufwendig, politisch umstritten und vor einem Haushaltsbeschluss nicht umsetzbar. Im Fall der Bahn lasse sich das Problem dagegen über eine Eigenkapitalspritze lösen. Politiker der SPD und der Grünen warfen ihm vor, die Haushaltseinigung zu torpedieren - denn Lindner meldete sofort neuen Beratungsbedarf an und brachte auch Einschnitte bei Sozialausgaben ins Spiel.
Finanzierungslücke in Milliardenhöhe
Bis Mitte August wollen Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nun erneut Lösungen suchen. Dann soll der Haushaltsentwurf an den Bundestag weitergeleitet werden, der viel Zeit zur Beratung braucht.
Lindner bezifferte die noch bestehende Finanzierungslücke auf rund fünf Milliarden Euro. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass er außerdem darauf wettet, dass neun Milliarden Euro von den Ministerien ohnehin nicht ausgegeben werden. Eine solche "globale Minderausgabe" einzuplanen, ist üblich und hat sich in den vergangenen Jahren stets bewahrheitet. Diesmal allerdings könnte es aus Sicht der Union anders laufen. Angesichts der aktuell schrumpfenden wirtschaftlichen Entwicklung sei mit steigenden Ausgaben zu rechnen, vor allem im Sozialbereich, argumentierte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU).
Im ZDF-Sommerinterview betonte Lindner, er werde nicht das Risiko eingehen, einen verfassungswidrigen Haushalt aufzustellen. Er habe sich schon einmal auf einen wackligen Kompromiss eingelassen, der dann im vergangenen Herbst vom Verfassungsgericht kassiert wurde.
Wirtschaftsweise Grimm stellt sich hinter Lindner
Rückendeckung bekommt der FDP-Chef dabei von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. "Gerade in der aktuellen Lage sollte die Regierung unbedingt vermeiden, einen angreifbaren Haushalt aufzustellen", sagte die Ökonomieprofessorin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Könnte gegen den Haushalt wieder in Karlsruhe aussichtsreich geklagt werden, würde dies die Unsicherheit zusätzlich erhöhen und brächte auch die Akteure in Verruf."