Haushaltsplan 2025 Alles zurück auf Start?
Der mühsam gefundene Haushaltskompromiss steht infrage: Finanzminister Lindner hat aufgrund zweier Gutachten neuen Gesprächsbedarf. Die SPD kritisiert sein Vorgehen scharf - damit geht der Streit in eine neue Runde.
SPD-Chefin Saskia Esken ist eigentlich auf Sommerreise in Sachsen und Thüringen, unterstützt die Wahlkämpfer ihrer Partei, die derzeit einen schweren Stand haben angesichts der miesen Umfragewerte der SPD. Immerhin ein Streitthema schien die Ampelkoalition in Berlin abgeräumt zu haben: Anfang Juli konnten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck nach langen und zähen Verhandlungen auf einen Haushaltsentwurf verständigen.
"Grenzen des Erträglichen" für Esken überschritten
Aber der Entwurf wackelt nun. Und Esken schlägt in Jena scharfe Töne an gegen den Finanzminister von der FDP. "Das ist rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenzen des Erträglichen in einer Koalition."
Es geht um die beiden Rechtsgutachten zum Haushaltsentwurf, die der Finanzminister in Auftrag gegeben hatte. Aus Eskens Sicht hätte Lindner die Ergebnisse nicht gestern vorlegen dürfen, als alle Augen gerichtet waren auf den Gefangenenaustausch in Ankara. Außerdem habe Lindner die Gutachten ohne vorherige Abstimmung innerhalb der Bundesregierung "eigenwillig" bewertet.
Kreative Buchungen reichen nicht
Der scharfe Ton macht deutlich: Die Ampelkoalition steht vor neuen Turbulenzen. Denn die Gutachter haben festgestellt, dass sich die Milliardenlücke im Haushaltsentwurf nicht so einfach durch ein paar kreative Buchungen verringern lässt. Da gebe es erhebliche verfassungsrechtliche Risiken.
Nun steht die Ampel vor der Aufgabe, acht bis neun Milliarden Euro anderweitig aufzubringen oder wegzusparen. "Die Koalition muss jetzt wieder eine Einigung herbeiführen, wo schon eine Einigung gewesen ist", beschreibt Esken die Lage. "Das macht mich einigermaßen ratlos."
Die Botschaft der SPD: Lindner ist schuld
Eskens Äußerungen wirken abgestimmt mit anderen SPD-Politikern. Fraktionschef Rolf Mützenich wirft Lindner in der Süddeutschen Zeitung ein unverantwortliches Handeln im Haushaltsstreit vor. Und der haushaltspolitische Sprecher Dennis Rohde erklärt, "es ist die Aufgabe des Bundesfinanzministers, einen verfassungsrechtlich tragfähigen Haushaltsentwurf vorzulegen".
Die Zielrichtung ist klar: Lindner ist schuld, wenn nun wieder viele Fragen offen sind beim Haushalt. So die Botschaft der SPD.
FDP verweist auf das Kanzleramt
Die FDP ist dagegen bemüht, darauf zu verweisen, dass die Idee mit den Buchungen aus dem Kanzleramt gekommen sei. Finanzminister Lindner habe die rechtlichen Bedenken gehabt und daher die Prüfung veranlasst.
Denn die Bundesregierung hatte im Herbst letzten Jahres schon mal eine herbe Bauchlandung in Karlsruhe hingelegt, als die Umwidmung von Corona-Hilfen überprüft wurde.
Und: Nach den Rechtsgutachten sei klar, dass es nun erst recht notwendig sei zu sparen und Prioritäten zu setzen. Aus den Kreisen des Finanzministeriums heißt es weiterhin, eine Haushaltsnotlage zu erklären, um mehr Schulden zu machen, sei keine Option. Stattdessen müsse die Treffsicherheit der Sozialausgaben überprüft werden.
Der FDP-Finanzpolitiker Karsten Klein wird konkreter: "Man muss noch mal über Kürzungen im Sozialbereich sprechen - und auch über die Finanzierung der EEG-Umlage aus Steuermitteln."
Klein schlägt vor, zur Förderung der Erneuerbaren besser auf den Klimafonds zuzugreifen. Das hätte aber zur Folge, dass für andere Klimaschutzprojekte weniger Geld zur Verfügung stünde. Sparen bei den Sozialausgaben und beim Klimaschutz - das lässt den Puls bei SPD und Grünen ansteigen.
Partner mit unterschiedlichen Vorstellungen
Das Grunddilemma der Ampelkoalition: Die FDP auf der einen Seite und SPD und Grüne auf der anderen haben ganz unterschiedliche Vorstellungen zur Finanzpolitik. Aus FDP-Sicht ist der Haushalt sowieso überdehnt, weil der Staat zu viele Leistungen übernimmt. SPD und Grüne sehen dagegen kein Einsparpotenzial - eher die Notwendigkeit, zusätzliche Schulden zu machen und die Schuldenbremse erneut auszusetzen.
Experte sieht Ampel vor schwierigen Verhandlungen
Finanzwissenschaftler Thiess Büttner gehörte zu den externen Prüfern des Haushaltsentwurfs. Er sieht die Ampel jetzt vor schwierigen Verhandlungen. "Bei einem Volumen des Haushalts nahe an den 500 Milliarden Euro sollte es zwar möglich sein, die Mittel einzusparen. Aber wir haben schon sehr lange Verhandlungen gesehen. Und es ist offenbar sehr schwierig gewesen, irgendwelche Zugeständnisse zu machen."
Daher sei der Haushalt an vielen Stellen auf Kante genäht, so Büttner. "Insofern dürfte es schwierig sein, noch zusätzliche Mittel einzusparen."
17 Milliarden Euro beträgt die Lücke im Haushaltsentwurf - mit den geplanten kreativen Buchungen hätte gut die Hälfte davon ganz schmerzlos weggerechnet werden sollen. Aber da das wohl nicht geht, sind die Schmerzen nun umso größer.