Sondersitzung der Bundestagsausschüsse Wussten "Reichsbürger" von der Razzia?
Die "Reichsbürger"-Razzia ist heute auch ein Fall für den Bundestag. Die Union will wissen, ob die Beschuldigten womöglich vorgewarnt waren. Die Ermittlungen haben zudem eine politische Debatte entfacht.
Nach der Razzia in der vergangenen Woche beschäftigen sich heute der Rechtsausschuss und der Innenausschuss mit den "Reichsbürgern". Die Unionsfraktion hatte die Sondersitzungen beantragt.
Die Union will unter anderem wissen, ob Beschuldigte womöglich vorgewarnt waren, so dass sie vor der Razzia eventuell Waffen und andere Beweismittel wegschaffen konnten.
Fragen zu dem Fall
Auch im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium wollen Abgeordnete Fragen zu dem Fall stellen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hatte zudem angekündigt, das Thema in der kommenden Sitzung auf die Tagesordnung zu setzen, um Details vom Militärischen Abschirmdienst MAD zu erfahren.
Die Grünen drängen darauf, die Pläne der Gruppe in einer Aktuellen Stunde im Plenum des Bundestages zu thematisieren. Und Linke-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte, hat für seine Fraktion für Donnerstag eine Regierungserklärung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu den Festnahmen beantragt.
23 in Untersuchungshaft
Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.
Die Festnahmen haben auch eine politische Debatte ausgelöst. Die Zahl der "Reichsbürger" ist nach Zahlen des Innenministeriums seit Jahresbeginn stark angestiegen. Der Verfassungsschutz schätzt laut Faeser das Personenpotenzial in diesem Spektrum inzwischen auf rund 23.000 Menschen ein. Das ist ein Anstieg um rund 9,5 Prozent (rund 2000 Menschen) im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19.000 Menschen zu.
Faeser will Verschärfung des Waffenrechts
Faeser hatte auch deshalb am Wochenende unter anderem eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. "Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen", sagte sie der "Bild am Sonntag". Die Regierung werde das deutsche Waffenrecht "in Kürze weiter verschärfen".
Die CDU zeigte sich gesprächsbereit. Bei Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der "Reichsbürger"-Szene darf es laut dem Generalsekretär Mario Czaja "keine Denkverbote" geben. "Alle Dinge, die notwendig sind, um das Land sicherer zu gestalten und eine solche Unterwanderung zu verhindern, werden wir mittragen", sagte er im ZDF-Morgenmagazin.
Widerspruch kommt allerdings von der FDP. Fraktionsvize Konstantin Kuhle lehnt dies ab: "Einer Verschärfung des Waffenrechts, um 'Reichsbürger' zu entwaffnen, bedarf es nicht." Der Staat dürfe sich beim Kampf gegen Verfassungsfeinde nicht verzetteln und sich gegen rechtstreue Sportschützen und Jäger wenden, die zur "Mitte der Gesellschaft" zählten. Vielmehr fehle es in den Waffenbehörden an Personal.
Extremisten im Staatsdienst
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlichen Verschwörer hat auch die Diskussion über Extremisten im Staatsdienst befeuert. Faeser verteidigte bei Anne Will ihr Vorhaben, das Disziplinarrecht zu verändern, um Verfassungsfeinde in Sicherheitsbehörden schneller loszuwerden. Dazu sollten keine Verwaltungsgerichtsverfahren mehr nötig sein, sondern Verwaltungsakte genügen. "Dort müssen wir einfach schneller werden", sagte die Ministerin.
CDU-Generalsekretär Czaja forderte, dass frühere Bundestagsabgeordnete der AfD daraufhin überprüft werden, ob sie weiter ohne jegliche Kontrolle Zugang zum Bundestag haben. Es habe schon einmal eine Situation gegeben, "dass auf einmal Personen dort waren, die Abgeordnete und Minister beleidigt haben", sagte er. Bei der Razzia vergangene Woche war mit Birgit Malsack-Winkemann auch eine frühere AfD-Abgeordnete festgenommen worden, die noch einen Ehemaligenausweis des Parlaments hatte.
In der Vergangenheit habe es einige Fälle gegeben, "wo man sich die Frage stellen konnte, wie sind solche Personen überhaupt ohne Überprüfung in den Bundestag gekommen", sagte Czaja. Ende 2020 war unter anderem der frühere Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Bundestag von Besucherinnen und Besuchern von AfD-Abgeordneten bedrängt und beschimpft worden.
Das Bundeskabinett will sich am Mittwoch außerdem mit einem Demokratiefördergesetz befassen, wie Familienministerin Lisa Paus ankündigte. "Mit dem Gesetz wollen wir den Menschen den Rücken stärken, die sich antidemokratischen und menschenfeindlichen Strömungen entgegenstellen und sich für ein vorurteilsfreies, offenes Miteinander einsetzen", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.