Demos gegen Rechtsextremismus Wie reagieren die Parteien auf die Proteste?
Hunderttausende protestieren gegen Rechtsextremismus und die AfD - darunter immer wieder auch Politiker. Doch was können die Parteien von den Demonstrierenden lernen?
"Man fühlt sich einfach nicht mehr so allein", sagt Birgit Kieschnick aus Bautzen. So viele sind auf den Straßen: "Das ist echt klasse."
Kieschnick gehört zu denen, die seit Jahren warnen. Vor der AfD oder vor Menschen, die Verschwörungserzählungen verbreiten. Aber in all diesen Jahren, so erzählt sie, fühlte sie sich von der Politik nicht ernst genommen. Das führte zu einem Klima, in dem Menschen aus Angst die Stadt verlassen wollen. Aber "dass jetzt die erste Demonstration auch hier stattfand, das hat vielen sehr viel Kraft gegeben. Und es gibt auch vielen Hoffnung".
Fragt man Kieschnick, was die Politik daraus lernen sollte, hat sie eine klare Botschaft: Alle demokratischen Parteien sollten sich jetzt bitte mal am Riemen reißen. "Nicht immer rechts blinken und den AfDlern noch nach dem Mund reden, sondern Menschenwürde hochhalten und Empathie hochhalten und Lösungen suchen und endlich wählbare Politik machen."
1.500 Menschen haben Ende Januar in Bautzen demonstriert. Im Osten von Sachsen gegen AfD und Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen, ist etwas anderes als in Berlin. Dort sind es hundertmal so viele. Und darunter auch viele Politikerinnen und Politiker. Sie posten Fotos in den Sozialen Medien, zeigen sich gern.
Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang, SPD-Co-Vorsitzende Esken - sie alle stehen mittendrin vor dem Bundestag. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verschickt mehrere Selfies und sagt in die Kamera: "Das ist hier heute keine Parteiveranstaltung."
"Demokratie braucht Demokraten"
Keine Parteiveranstaltung. Aber was macht Politik daraus, wenn Hunderttausende für die Demokratie demonstrieren? Grünen-Politikerin Lang sieht vor allem einen Auftrag an die Ampelkoalition, weniger öffentlich zu streiten und gemeinsam die Probleme der Menschen im Alltag zu lösen. "Wir merken doch, dass dort, wo Ängste mobilisiert werden können, ein Nährboden entsteht für Hass und dieser Hass wiederum denen dient, die nichts anderes anzubieten haben als Hass und Menschenfeindlichkeit."
Ihre SPD-Kollegin Esken fordert, die zu stärken, die demonstrieren. "Demokratie braucht Demokraten", sagt die Parteivorsitzende. Sie spricht über das Demokratiefördergesetz, das seit Jahren diskutiert wird. Das heißt: In Zeiten knapper Kassen Gelder für die, die für Demokratie kämpfen.
Der ehemalige Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, spricht von einem ermutigenden Signal. Er kenne Leute, die noch nie demonstrieren waren - aber jetzt auf den Straßen sind. Der CDU-Politiker selbst steht in Aachen auf der Bühne. Die kurze Rede wird in den Sozialen Medien gefeiert.
Laschet spricht über 1933 und wie die NSDAP in nur zwei Monaten die Demokratie abgeschafft hat. "Und deshalb dürfen Antidemokraten in keine staatliche Funktion kommen. Sie werden sie nutzen, die Demokratie zu beseitigen und das werden wir nicht zulassen."
"Warum sollte die Union nicht mitmachen?"
Neben Laschet demonstrieren auch Politikerinnen und Politiker anderer Parteien. Dass einige auf den Demos die Union dort nicht haben wollen - sie sogar mit der AfD in einen Topf werfen, schreckt ihn nicht ab.
"Warum sollte die Union nicht mitmachen?", fragt er. Sie sei die stärkste Partei und die einzige Bastion gegen die AfD im Osten. "Das sind Versuche, ich finde eher kleinkarierter Art, und davon darf sich eine demokratische Partei nicht abschrecken lassen. Ich finde es gut, dass alle dabei sind, dass auch die SPD mitmacht, die Grünen mitmachen, die FDP mitmacht."
Am Ende, so sagt es Armin Laschet, kommt es darauf an, dass viele wählen gehen. "Die Demonstration allein ist noch keine Stimme in der Wahlurne. Die kann man nur am Wahltag abgeben."
Birgit Kieschnick aus Bautzen wünscht sich, dass Politik sie ernster nimmt. Und hofft, dass noch lange demonstriert wird. Jeder einzelne müsse dranbleiben. "Das darf nicht verpuffen, das muss weitergehen. Und das muss sichtbar weitergehen."
Jedes Wochenende Hunderttausende. So wird es wohl nicht weitergehen. Was danach kommt, weiß noch keiner. Weder die Demonstranten noch die Parteien in Berlin.