Pistorius in Litauen Der Fahrplan für die Brigade steht
Verteidigungsminister Pistorius hat eine "Roadmap" für die dauerhafte Stationierung der Bundeswehr in Litauen unterzeichnet. Spätestens 2027 sollen fast 5.000 Soldaten einer Kampfbrigade die NATO-Ostflanke schützen.
Das Medieninteresse ist für litauische Verhältnisse riesig, als Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem Amtskollegen Arvydas Anusauskas am Morgen die "Roadmap" für die Aufstellung der Litauenbrigade unterschreibt. Gerade mal ein halbes Jahr hat es gedauert, das militärische Großprojekt zumindest in Grundzügen aufs Gleis zu setzen.
Erstmals wird die Bundeswehr dauerhaft im europäischen Ausland stationiert. Das heißt, die deutschen Soldatinnen und Soldaten werden nicht alle regelmäßig rotieren, sondern über Jahre hinaus in Litauen bleiben. Sie werden also ihren Lebensmittelpunkt, zumindest auf Zeit, ins Baltikum verlegen.
Millionenkosten für Infrastruktur und Truppe
Damit das gelingt, hat Litauen in der vergangenen Woche extra eine Regierungskommission gebildet. Unter Leitung von Premierministerin Ingrida Simonyte soll die Infrastruktur für die Deutschen geplant werden, die an zwei Standorten in der Nähe der Städte Vilnius und Kaunas stationiert werden.
Bis Ende 2026 will Litauen fertig sein, neben Unterkünften auch zwei deutsche Schulen und Kindergärten bauen. Für das kleine Land ist es ein finanzielles Mammutprojekt, dessen langfristige Finanzierung noch nicht gesichert ist. Der litauische Verteidigungsminister Anusauskas gibt unumwunden zu, dass man noch nach zusätzlichen Finanzierungsquellen Ausschau halten müsse.
Ähnliches dürfte für seinen deutschen Amtskollegen gelten. In Vilnius gibt sich Pistorius optimistisch: "Wir werden es bewältigen, weil wir es bewältigen müssen", sagte der SPD-Politiker und gab eine erste grobe Finanzschätzung ab. Wenn die Kampfbrigade 2027 mit 4.800 Soldatinnen und Soldaten sowie 200 Zivilbeschäftigten voll aufgestellt ist, rechnet er mit monatlichen Kosten von mehr als 30 Millionen Euro. Das sind laut Pistorius die Kosten, die für den Betrieb einer regulären Brigade in Deutschland fällig sind. In Litauen dürften aber noch Auslandszulagen, Transportkosten und Mehrkosten für Material hinzukommen.
Ähnlich wie in Litauen ist aber auch in Deutschland die mittelfristige Finanzierung längst nicht gesichert, denn vor allem wenn das schuldenfinanzierte Sondervermögen für die Bundeswehr 2027 ausgegeben sein wird, könnte ein großes Loch im Verteidigungshaushalt klaffen.
Der russische Angriffskrieg ist hier näher
Fährt man durch Vilnius, dann sieht man auch weiterhin an vielen Häusern ukrainische Fahnen hängen. Der russische Angriffskrieg spielt im Baltikum auch weiterhin eine große Rolle.
Bei seinem Besuch wurde Verteidigungsminister Pistorius und sein Tross auch in eine unscheinbare Lagerhalle in der Nähe von Kaunas geführt. In dem Wartungszentrum werden seit Oktober "Leopard-2A6"-Panzer von der Front repariert, die Deutschland und andere Nationen Anfang des Jahres in die Ukraine geliefert haben. Bilder dürfen dort nicht gemacht werden und auch die genaue Zahl der zu reparierenden Panzer darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden.
Bei einem Besuch des litauischen Verteidigungsministers Anusauskas wurde immerhin bekannt, dass es sich teilweise um Gefechtsschäden handelt, die es so bislang nicht an Leopard-Panzern gegeben hat. Sie reichen von direkten Treffern der Russen über Minen bis hin zu Drohnenangriffen.
Die Wehrbeauftragte setzt auf Freiwilligkeit
Aktuell sind etwa 800 deutsche Soldaten im Rahmen eines multinationalen NATO-Gefechtsverbands in Litauen stationiert. In Rukla dient Oberstabsgefreiter Mika. Einen dauerhaften Einsatz schließt er künftig für sich zumindest nicht aus. Er gibt aber zu, dass es für jemanden wie ihn - ohne Frau und ohne Kinder - einfacher sei, den Lebensmittelpunkt hierher zu verlegen. Die Litauer brächten der Truppe zudem Wertschätzung entgegen.
Mit auf Weihnachtsreise ist auch die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl. Sie will beim Werben um die künftigen Bundeswehrsoldaten für die Litauenbrigade auf das Prinzip Freiwilligkeit setzen - und hat den Eindruck, dass sich genügend melden werden, wenn nur die Rahmenbedingungen stimmen. Aus Högls Sicht braucht es für die Truppe militärische Vollausstattung mit Gerät und Material und für die mit anreisenden Familien, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und Arbeitsplätze.
Der politische Wille, in Litauen bis zu 5.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten zu stationieren, ist da. Jetzt muss das nötige Geld gefunden werden - in Deutschland und in Litauen.