Verteidigung im Haushalt Die Bundeswehr fährt wieder auf Sicht
Im Haushaltsstreit hat Minister Pistorius den Kürzeren gezogen: Nun sind 53,3 Milliarden Euro Verteidigungsausgaben vorgesehen, gefordert hatte er 58 Milliarden. Beim Truppenbesuch ist seine Unzufriedenheit offensichtlich.
Bei der ersten Station von Boris Pistorius' Sommerreise geht es in den Maschinenraum der Bundeswehr. Beim Logistikkommando in Erfurt wird dem Minister nicht die ganz große Show geboten. Denn Lärm, Rauch und Qualm, Kampfflugzeuge und -panzer, das gibt es hier nicht. Stattdessen bekommt er das Abschleppen von Lkws, Bergepanzer auf Sattelschleppern und mobile Wasseraufbereitungsanlagen präsentiert.
Insgesamt rund 17.000 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeiter sind bei der Bundeswehr dafür verantwortlich, dass im Ernstfall ein Rädchen ins andere greifen kann. Die Logistikerinnen und Logistiker sind entscheidend, um Pistorius Militärfloskeln wie "Kaltstartfähigkeit" und "Kriegstüchtigkeit" mit Leben zu erfüllen. Sie sind mitentscheidend, wenn im Ernstfall NATO-Truppen an die Ostflanke des Bündnisgebiets verlegt werden und Deutschland zur "Drehscheibe" werden sollte.
Soldaten merken auch, dass offenbar Geld fehlt
Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist klar, wie wichtig die Versorgung von Kampftruppen mit Treibstoff, Munition, Ersatzteilen und Verpflegung ist. "Ohne Logistik keine Durchhaltefähigkeit", sagt der zuständige Logistik-Kommandeur in Erfurt, Generalmajor Gerald Funke: "Ohne dass sie Verpflegung haben, ohne dass sie Wasser haben, ohne dass sie Ersatzteile und in der richtigen Menge Munition haben, wären sie nicht in der Lage, die Operation zu führen. Insofern ist es eine besondere Freude, dass der Minister das auch so unterstrichen hat."
Der Kommandeur ist zufrieden, das Material was man habe, sei "hervorragend". Und dank Zeitenwende "läuft Material zu", wie es im Bundeswehr-Jargon heißt. Das spüre die Truppe - und das "stimmt positiv".
Die Truppe merkt aber auch - zumindest im direkten Gespräch -, dass offenbar Geld fehlt, um fällige Beförderungen durchzuführen. In der hierarchisch gegliederten Bundeswehr neben der Ausstattung sicherlich ein wichtiger Motivationsgrund. Und angesichts des Personalmangels ein nicht unerhebliche Attraktivitätsfaktor.
Zu Besuch in der Kaserne: Boris Pistorius tauscht sich mit Soldaten des Logistikkommandos in Erfurt aus.
Ausgaben im Haushalt reichen Pistorius nicht
Unter dem selbstgewählten Motto "Mensch und Material in der Zeitenwende" will sich Pistorius von den Fähigkeiten seiner Einheiten ein Bild machen.
Doch die vom Kanzler ausgerufene "Zeitenwende" könnte nach dem Haushaltsbeschluss ins Stocken geraten. Nach einem Mini-Plus in Berlin wirkt der Verteidigungsminister in Erfurt ernst und weiterhin unzufrieden: "Ja, ich habe daraus nie einen Hehl gemacht. Der Betrag reicht mir nicht", sagt er. Pistorius hält es angesichts von "Zeitenwende und Bedrohungslage" für nicht angemessen.
Doch er kann nur noch auf die Haushaltspolitiker im Bundestag setzen und hoffen, dass sie irgendwo weitere Millionen für die Bundeswehr finden. Der Umfrageliebling will kämpfen, auch wenn ihn Kanzler und Finanzminister erneut ausgebremst haben.
Ungelöste Fragen nach der Ampel-Zeit
Pistorius und seine Generäle warnen regelmäßig, dass Russland ab 2029 in der Lage wäre, NATO-Gebiet anzugreifen. Deshalb haben sie beispielsweise den Kauf weiterer "Leopard"-Kampfpanzer mit sogenannten Verpflichtungsermächtigungen auf den Weg gebracht. Mit ihnen garantiert der Bund, dass die Rechnungen am Ende auch bezahlt werden.
Spätestens ab 2028 wird es aber teuer, denn dann kommen die Rechnungen und das Bundeswehr-Sondervermögen ist ausgegeben. Und der Verteidigungsetat soll von aktuell 53 auf ganze 80 Milliarden Euro im Jahr ansteigen. Wie so ein enormer Anstieg funktionieren soll?
Pistorius bleibt auch hier eine wirkliche Antwort schuldig: "Keine Regierung im Jahre 2025 muss festlegen, kann festlegen, woher das Geld im Jahre 2028 kommen muss." Eine Antwort, die zeigt, dass die aktuelle Bundesregierung keine Lösung hat und es die künftige Regierung regeln muss. Trotz russischer Bedrohung und "Zeitenwende" fährt die Bundesregierung also erstmal wieder auf Sicht.