Staatssekretär Nimmermann Ein Mann für keine Schublade
Wer ist der neue Staatssekretär in Habecks Wirtschaftsministerium? Der Grüne aus Frankfurt am Main lässt sich nicht leicht in eine Schublade stecken - und das könnte ein Vorteil sein.
Der 57 Jahre alte Grüne aus Frankfurt am Main lässt sich nicht leicht in eine Schublade stecken. Dass er als früherer Spitzenbanker mehr kann als Politik und nicht als besonders ideologiegetrieben auffiel - gerade das empfahl ihn seiner Partei für den neuen Posten.
Ein Wochenende Bedenkzeit
Als Nachfolger des entlassenen Staatssekretärs Patrick Graichen soll Nimmermann für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die umstrittene Energiewende auf dem Heizungssektor retten. Als die Anfrage am vergangenen Freitag kam, soll er sich ein Wochenende lang Bedenkzeit erbeten haben, wie man von den Grünen hört. Der Job gehört schließlich zu den derzeit heikelsten in der Bundesregierung.
Am Montagmorgen sagte Nimmermann zu. Der Mann - verheiratet, zwei Kinder - ist schon von Berufs wegen ein ausgewiesener Experte fürs kühle Rechnen. Denn Habecks Zukünftiger fürs klimaneutrale Heizen ist Wirtschaftswissenschaftler. Am Finanzplatz Frankfurt, wo sich die Grünen zu Zeiten eines Joschka Fischer harte Kämpfe zwischen Realos und Fundis lieferten, wurde Nimmermann Diplom-Volkswirt. Dann machte er dort als Banker Karriere.
"Spontaner" Wechsel in die Politik
1999 begann er bei der BHF-Privatbank, 2013 wurde er sogar deren Chefvolkswirt. Zuvor hatte er mit einer Arbeit promoviert, die den ziemlich realpolitischen Titel "Die Besteuerung internationaler Faktoreinkommen" trug.
Führungsposten in einer Bank, Wechsel in die Politik und dann auch noch Grüner: Das macht Nimmermann zu einem "raren Exemplar", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einmal bewundernd feststellte. Aber von wegen Kalkül: Den Wechsel in die Politik im Herbst 2014 habe er "spontan" gefasst, berichtete er später.
Damals machten ihn die Grünen zum Finanzsekretär von Schleswig-Holstein. Rasch bewährte sich Nimmermann in der Rolle des Krisenmanagers für besonders schwere Fälle in grünem Zuständigkeitsbereich: In der Finanzkrise managte er die Privatisierung der angeschlagenen HSH Nordbank und half, die milliardenschweren Altlasten für das Bundesland in Grenzen zu halten.
Vize-Ministerpräsident Schleswig-Holsteins war damals der Grüne Habeck. Nun erwartet der unter Druck stehende Bundeswirtschaftsminister, dass Nimmermann für ihn "mit einem frischen Blick die Prozesse neu durchdenkt".
Erfahrung mit heiklen politischen Missionen
Habeck kann darauf setzen, dass es seinem neuen Mann nicht am nötigen Selbstbewusstsein fehlt: In Wiesbaden gilt Nimmermann als hochintelligent, ehrgeizig und loyal - und einigen auch als unnahbar. "Diesen coolen Typen werde ich und wird das ganze Kabinett vermissen", sagte Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther, als es Nimmermann 2019 zurück in die hessische Heimat zog.
Dort sammelte der Grüne noch mehr Erfahrung im Umgang mit heiklen politischen Missionen. Im Haus des grünen Wirtschaftsministers Tarek Al-Wazir übernahm er die Zuständigkeiten für Wirtschaft, den Finanzplatz Frankfurt und die interne Organisation.
Es waren dann vor allem historische Notlagen, die Nimmermann forderten: zunächst die Staatshilfen in der Corona-Pandemie, dann Hilfen in der Energiepreiskrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Sein Noch-Staatssekretär habe auch in Wiesbaden bewiesen, "der richtige Mann für eine herausfordernde Aufgabe" zu sein, lobte Al-Wazir ihn nach Bekanntwerden seines Wechsels.
Auf einem Energiegipfel der Landesregierung in Wiesbaden warb Nimmermann vor dem vergangenen Winter bei Bürgerinnen und Bürgern dafür, möglichst Strom und Gas zu sparen. Dass ihm Pragmatismus auch hier wichtig sei, unterstrich er mit der Ankündigung: "Praktisch umsetzbar und kurzfristig wirksam" seien die Spartipps der Regierung.
Politisch aktiv, "aber im Hintergrund"
Ein so großer Spezialist in Sachen Energiewende wie sein Vorgänger Graichen ist Nimmermann damit nicht. Das ist kein Nachteil: Eine so enge und bis ins familiäre gehende Vernetzung, wie sie dem Vorgänger zum Verhängnis wurde, muss Habeck beim Nachfolger nicht befürchten.
Ökologisch aktiv war er schon während seines Wirtschaftsstudiums. Damals engagierte er sich in der den Grünen nahestehenden Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie. Er sei schon immer politisch aktiv gewesen, "aber im Hintergrund", sagte er vor einiger Zeit in einem Interview.
Wie es zur Sache geht, wenn er zukünftig mehr im Vordergrund stehen dürfte, bekam der 57-Jährige rasch zu spüren. Die in Hessen oppositionelle FDP-Landtagsfraktion nutzte die Nachricht seines Wechsels ins Wirtschaftsministerium zu dem bösen Urteil: Der Grüne sei eine "graue Maus", es werde ihn "in Hessen kaum einer vermissen".
Selbst wenn die Liberalen in der Berliner Ampel künftig seine Koalitionspartner sind: Auch ihren Widerstand muss Nimmermann berücksichtigen, wenn er die Wärmewende für Habeck durchsetzen soll. Widerstandsfähigkeit könnte er auch in seinem früheren Hobby erworben haben. Er ist Mitglied von Eintracht Frankfurt und hat früher selbst für den Verein gespielt - im Rugbyteam.