Nach CDU-Sieg in Hessen Rhein hat die Wahl
Nach der Wahl ist für die Hessen-CDU vor der Wahl: Sie kann sich einen Juniorpartner zum Regieren aussuchen. Sowohl Grüne als auch SPD haben sich schon ins Schaufenster gestellt.
Wer weiß, wie Macht geht, feiert Triumphe nicht zu lange. Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein wird sich am Montagabend im Taunusstädtchen Hofheim noch einmal bejubeln lassen. Aber beim Treffen der Spitzen der Landespartei wird es rasch zur Sache gehen.
Mit ihrem überwältigenden Sieg bei der Landtagswahl hat sich die Union nach 25 Jahren ununterbrochener Regierungsführung die nächsten fünf Jahre gesichert. Jetzt geht es um den nächsten Zug: Wer wird ihr Juniorpartner?
Mit 34,6 Prozent ist die CDU bei weitem stärkste Partei und hat ihr Wahlziel erreicht: Gegen sie kann nicht regiert werden, und sie hat freie Auswahl. Rhein hat angekündigt, mit den Grünen als aktuellem Koalitionspartner Sondierungsgespräche führen zu wollen - aber auch mit SPD und FDP.
FDP wird nicht gebraucht
Für die Liberalen ist das erst einmal nur eine nette Geste. Für ein Duett ist der Ex-Lieblingspartner der Hessen-Union zu schwach, gebraucht wird er auch nicht. Lange musste die FDP zittern, bis sie es mit 5,0 Prozent gerade so wieder in den Landtag schaffte.
Die Linke zitterte erfolglos und flog nach 15 Jahren aus dem Landtag: Gegen den in Berlin im Streit der Parteispitze mit Sarah Wagenknecht vermittelten Eindruck einer Partei in Auflösung kam man in Wiesbaden nicht an.
Die drei Sondierungspartner der CDU einen die heftigen Verluste, die sie bei der Wahl erlitten haben. Regierungschef Rhein hatte sie als Parteien der unbeliebten Ampel-Bundesregierung mit dem Slogan "Kurs statt Chaos" im Wahlkampf vor sich hergetrieben.
Dreikampf war keiner
So kam die CDU auf weit mehr als doppelt so viele Stimmen wie Grüne und auch SPD. Der von beiden ausgerufenen Dreikampf war am Ende keiner. Die Grünen landeten mit ihrem Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir, dem amtieren Vize-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister, bei 14,8 Prozent und lediglich auf Platz vier.
Die SPD als Dritte mit ihrer gescheiterten Kandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit 15,1 Prozent auch nicht mehr Gewicht in Koalitionsgespräche einzubringen. Es war ein historisch desaströses Ergebnis.
Rhein will "Koalition der Mitte"
An welchen Wunschpartner der CDU-Mann Rhein dachte, als er am Wahlabend eine "Koalition der Mitte" und einen Kurs der "sanften Erneuerung" ankündigte, ist Spekulation. Dass er zwei Alternativen hat, raubt seinen Gegenübern Verhandlungsspielraum.
Sowohl SPD als auch Grüne haben sich rasch ins Schaufenster gestellt. "Wir haben keine Wechselstimmung", plädierte Al-Wazir für eine Fortsetzung der Koalition. Mit den Grünen will Rhein auch zuerst sprechen.
Trotz zuletzt wachsender Spannungen: Für die Grünen spricht, dass sie als kompromissbereite Realo-Truppe bereits seit zehn Jahren ein zuverlässiger Partner der CDU sind.
Mehr inhaltliche Schnittmengen und gute persönliche Kontakte hat Rhein mit der SPD. Deren Fraktionschef Günter Rudolph erinnerte ihn schon nach der ersten Hochrechnung daran, dass auf die Sozialdemokraten in der Not von Corona-Pandemie und Energiekrise Verlass war.
Bundesthemen dominierten in Hessen
Grüne und SPD in Wiesbaden können wie die FDP darauf verweisen, dass sie bei dem Gegenwind aus Berlin keine Chance hatten.Tatsächlich hatten Rhein und die hessische CDU zwar jeweils die besten Umfragewerte, wenn es um die Kompetenzen ging. Vor allem dominierten aber Verdruss über die Bundesregierung und Bundesthemen diese Hessen-Wahl.
Die Vorwahlbefragung von Infratest dimap im Auftrag der ARD zeigt: Die Wirtschaftslage, Fragen von Klimaschutz und Energie sowie die Asyl- und Zuwanderungspolitik waren für die meisten Wähler am wichtigsten. Da gleichzeitig mehr als 70 Prozent von ihnen die Lage generell als beunruhigend bewerten, lastete auf der Hessen-Wahl eine sorgenvolle Grundstimmung.
Das zahlte auf das Konto von CDU und auch der AfD ein, die im Bundestag in der Opposition sind. Für sie hat es sich laut dem Darmstädter Parteienforscher Eike-Christian Hornig das Versprechen gelohnt, angstbesetzte Veränderungen "zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen".
SPD hat viel aufzuarbeiten
Dass sich eine große Mehrheit in Hessen eine andere Asylpolitik wünscht, traf vor allem die dafür als Bundesministerin zuständige Nancy Faeser. Sie und ihre Partei hat auch Kredit gekostet, dass Faeser für den Fall der nun eingetretenen Niederlage nicht zurück in den Landtag wechseln wollte.
Viel hängt davon ab, wie stabil die beiden möglichen Partner der CDU erscheinen. Denn sie müssen die Wahlniederlagen erst einmal verarbeiten. Die sehr gefestigten und pannenfrei durch den Wahlkampf gekommenen Grünen wird das wohl weniger Kraft kosten.
Es ist kein Zufall, dass Faeser schon die Solidarität in der Hessen-SPD beschworen hat. Sie selbst steht als Ministerin, aber auch als SPD-Landeschefin unter Druck. Ungemach wegen einer fehlerreichen Wahlkampagne droht auch Partei-Generalsekretär Christoph Degen. Sogar um den Posten des Fraktionschefs könnte es Gerangel geben.
AfD stellt Oppositionsführer
Solche Sorgen hat die AfD nicht. 18,4 Prozent sind nicht nur das beste Ergebnis, das die Partei je in einem westdeutschen Bundesland erzielt hat. Als Kopf der zweitstärksten Kraft im Landtag darf sich Fraktionschef Robert Lambrou jetzt Oppositionsführer nennen. Die Zahl der Mandate reicht sogar, um ohne Unterstützung Untersuchungsausschüsse erfolgreich zu beantragen - etwa in Sachen Corona.
Vor allem von der verbreiteten Krisenstimmung und der Kritik an der angeblichen "Masseneinwanderung" profitierte die AfD. Dabei hatte sich die Fraktion seit dem erstmaligen Einzug in den Landtag 2019 in schweren internen Grabenkämpfen aufgerieben.
Ihren Wählern war das ebenso gleichgültig wie die Einschätzung des Landesverfassungsschutzes, die AfD sei ein rechtsextremer Prüffall. Im Gegenteil: Die Zahlen zeigen, wie das Image der Protestpartei trügt. In Hessen haben viele die AfD aus Überzeugung gewählt.