Wahlkampf in Ostdeutschland Abarbeiten an Friedrich Merz
Die Parteien im Osten bereiten sich auf den Wahlkampf vor. Neben Wirtschaft und Ukraine-Politik wird ein Kandidat besonders im Fokus stehen: Friedrich Merz. Und dann ist da noch die AfD.
Die Union will die vorgezogene Bundestagswahl zu einer Abstimmung über die Wirtschaftspolitik machen. Auch im Osten Deutschlands glaubt sie, damit überzeugen zu können. "In Ostdeutschland ist die Abstiegsangst virulent", sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller tagesschau.de. Hier sind die Reserven des Mittelstands kleiner als im Westen. Verschiedene Industriebetriebe haben zuletzt auf Kurzzeit oder Stellenabbau gesetzt.
Helfen soll da der Kanzlerkandidat. Friedrich Merz stünde wie seine Partei für "Wirtschaftskompetenz, gute Löhne und einen echten Leistungsbegriff", so Müller. Die Union will zudem gegen das Bürgergeld in seiner jetzigen Form mobilisieren.
Der Fokus auf die schwächelnde Wirtschaft kommt Müller auch deshalb gelegen, weil er zuletzt verstärkt die Arbeiterschaft umworben hat - also jene Berufsgruppe, die am stärksten zur AfD neigt. Zugewinne hier könnten für die Union im Februar wahlentscheidend werden, denn nach Stand bisheriger Umfragen dürften CDU und AfD die meisten Direktmandate in Ostdeutschland unter sich ausmachen.
SPD erwartet mehr Kommunikation von Scholz
Müller, der seinen Wahlkreis in Sachsen-Anhalt hat und selbst am Entwurf des Wahlprogramms mitwirkt, ist allerdings nicht der Einzige, der seine Hoffnungen mit Friedrich Merz verknüpft. Denn die Konkurrenz von SPD, AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht will in Merz die Schwachstelle der Union ausgemacht haben.
So dürfte die SPD in den kommenden Monaten vor allem Merz' Karriere in der Wirtschaft betonen. Er ist wohl Millionär und war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender der US-Investmentfirma Blackrock in Deutschland. Abgehoben soll das wirken, gerade im Osten, wo die Einkommen kleiner sind.
An Bundeskanzler Olaf Scholz haben die Genossen hingegen andere Erwartungen. Der Wahlkampf solle stringenter laufen als noch zur Europawahl. Damals wurde Scholz ruckartig als "Friedenskanzler" präsentiert. Statt solcher Inszenierungen wünschen sich Parteifreunde im Osten, dass Scholz seine Ukraine- und Sicherheitspolitik besser als bisher erklärt.
Scholz ist in der Ost-SPD nicht unumstritten. Sein eigener Landesverband Brandenburg verzichtet vor der Landtagswahl im September weitestgehend auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit dem Kanzler.
Mit dem ehemaligen Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein, dem Thüringer Landrat Matthias Jendricke und dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Erben aus Sachsen-Anhalt gibt es nun erste Stimmen, die sich öffentlich für Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten aussprechen. Der sei anders als Scholz deutlich beliebter als Merz, so Jendricke im Stern.
AfD gegen Ukraine-Hilfen
Für die AfD hingegen ist Alice Weidel als Spitzenkandidatin gesetzt. Der Bundesvorstand und Bundesabgeordnete Martin Reichardt begrüßt das. Bei ihm in Sachsen-Anhalt sei Weidel sehr beliebt, sagte Reichardt tagesschau.de. Das Verhalten von Friedrich Merz, der eine Zusammenarbeit mit der AfD verweigert, nannte er "schäbig".
Die Themen der AfD-Kampagne lägen "auf der Hand", so Reichardt. Diese seien Wirtschaftskrise, Migration und Ukraine-Krieg. "Die Wirtschaftskrise haben die jetzige Bundesregierung und ihre Vorgänger durch den Atomausstieg und die Energiewende herbeigeführt", sagte er. Die AfD wolle beides rückabwickeln. Auch die Kosten für rund eine Millionen ukrainische Geflüchtete nannte Reichardt "nicht hinnehmbar".
Reichardt gehört zum völkischen Netzwerk in der AfD. Dieses könnte im Bundestag brisanten Zuwachs bekommen: Der Thüringer Landeschef Björn Höcke und der frühere Europawahlspitzenkandidat Maximilian Krah aus Sachsen erwägen derzeit Kandidaturen.
"Ob sie kandidieren, müssen beide selbst entscheiden", so Reichardt. Sie wären wie jeder andere Abgeordnete auch in der Fraktion willkommen. Höcke hatte allerdings schon in der Vergangenheit mit einem Wechsel nach Berlin kokettiert, nur um dann doch in Thüringen zu bleiben.
Wagenknecht braucht Geld
Sahra Wagenknecht hingegen schießt sich bereits auf einen Anti-Merz-Wahlkampf ein. Am Dienstag sagte sie, Merz' Positionen im Ukraine-Krieg könnten Deutschland "in große Gefahr" bringen. Seine Wirtschaftspolitik sei nur für "Finanzhaie wie Blackrock" geeignet.
Den Fingerzeig auf andere braucht Wagenknecht gerade. Ihre Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), hat noch nicht alle Landesverbände gegründet. In Thüringen gibt es Spannungen mit der Bundesspitze. Außerdem ist dort ein Großteil der wenigen Mitglieder ebenso wie in Sachsen und Brandenburg nun in die Landespolitik eingebunden.
Für den Bundestagswahlkampf braucht es auch Geld und Kandidaten. Finanziell baut die Partei auf Spenden, da sie noch keine Zuwendung aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten hat. Eine erste Tranche wird für das kommende Frühjahr erwartet. Personell sollen die Listen möglichst breit aufgestellt werden.
Wagenknecht gibt sich zuversichtlich. Die Partei habe genügend Menschen in ihrem Unterstützerkreis, sagte sie. Allerdings dürften diese wie schon bei den Landtagswahlen vom Bundesvorstand mit verlesen werden. "Wir werden sehr genau hingucken", kündigte die Parteichefin an.
Linkspartei sucht Retter
Für Wagenknechts ehemalige Partei geht es im Osten hingegen um das politische Überleben. Mehrere Direktmandate sollen der Linkspartei den Einzug sichern. Dafür sollen auch die Parteipromis Gregor Gysi, Ex-Fraktionschef Dietmar Bartsch und der bisherige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow sorgen.
Eine Bekanntgabe ihrer Kandidaturen steht noch aus, wird aber zeitnah erwartet. Gysi, der das Trio "Aktion Silberlocke" getauft hat, hat seinen Wahlkreis in Berlin-Treptow mehrfach gewonnen.
Thüringens derzeit geschäftsführender Ministerpräsident Ramelow will offenbar aus Erfurt in die Bundespolitik zurückkehren. In Thüringen gilt es als nahezu sicher, dass Ramelow das Mandat gewinnen würde, sollte er antreten. Seine eigene Landesspitze unterstützt das.
Rein rechtlich könnte Ramelow wohl auch dann Abgeordneter werden, wenn ein Nachfolger als Ministerpräsident noch nicht gewählt ist. Zum diesem Schluss kommen Juristen der Thüringer Staatskanzlei, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Selbst zurücktreten kann er nicht.
Eine Doppelmitgliedschaft in Bundestag und einer Landesregierung ist nicht verboten. Nur im Bundesrat müsste Ramelow sein Mandat für Thüringen niederlegen. So will es die dortige Geschäftsordnung.
Grüne und FDP kämpfen
Bei den Grünen soll Wirtschaftsminister Robert Habeck es richten. Die frühe Festlegung auf ihn statt auf Außenministerin Annalena Baerbock als kommenden Kanzlerkandidaten sei die wichtigste Weichenstellung für den Osten gewesen, heißt es aus der Partei.
Die FDP hofft, sich durch das Ampel-Aus berappeln zu können. Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September hatte die Partei zwischen 0,8 und 1,1 Prozent geholt.
Neuwahl während der Ferien
Eine besondere Herausforderung bringt die Neuwahl dem Freistaat Sachsen. Neben dem Saarland ist es das einzige Bundesland, in dem der Wahltermin für die vorgezogene Bundestagswahl in die Ferienzeit fällt, zumal hier genau in die Mitte. Während Wähler auf die Briefwahl zurückgreifen können, müssen Wahlhelfer vor Ort sein. Die Gemeinden in Sachsen brauchen laut Landeswahlleiter rund 36.000 von ihnen.
Größere Kritik aus den Reihen der sächsischen Parteien blieb jedoch aus. Lediglich der Linken-Abgeordnete Sören Pellmann sprach von einer "unverantwortlichen" Entscheidung.