Kanzlerkandidatur Ein schmaler Grat für Friedrich Merz
CDU-Chef Merz muss nun die Rolle des Oppositionsführers mit der des Kanzlerkandidaten vereinen. Es wird ein schwieriges Abwägen von Kompromissen, Versöhnlichkeit und Machtstreben.
Die Stunde null - um Punkt 12 Uhr schlägt sie heute in der bayerischen Landesvertretung, als CSU-Chef Markus Söder vor die Kameras tritt und verkündet: "Die Kanzlerkandidaten-Frage ist entschieden, Friedrich Merz macht's".
Für Merz beginnt damit ein neuer Abschnitt in seinem politischen Leben. Darauf hat er lange gewartet und hingearbeitet. Ab jetzt gilt es also. Vor dem designierten Kanzlerkandidaten liegt gut ein Jahr bis zur Bundestagswahl - ein Jahr, in dem er beweisen muss, dass die Union regierungsfähig und er der richtige an der Spitze ist.
Breite Unterstützung
Aus den CDU-Landesverbänden hat seine Kandidatur eine breite Unterstützung. Das hat Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des größten Landesverbandes, in einem Pressestatement klargemacht. Das schien auch die Strategie von Merz zu sein, die Landesverbände hinter sich zu versammeln, nicht zuletzt, um Söder und seinen Ambitionen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Denn auch wenn Söder in Umfragen besser dasteht als Merz, ist es an der größeren der beiden Schwesterparteien, den Kanzlerkandidaten zu stellen. Von diesem Recht hat Merz mit Unterstützung seiner Partei nun Gebrauch gemacht.
Damit ist erst einmal scheinbar Ruhe eingekehrt in der Union. Die immer wiederkehrenden Fragen nach der K-Frage verstummen nun. Große Begeisterungsstürme scheint die Entscheidung bisher aber nicht hervorzurufen, weder in der Bevölkerung noch in der Partei.
Die Schwächen von Merz
Die Schwächen von Merz sind nicht nur in der Parteispitze bekannt: Für manche Wählerinnen und Wähler wirkt er aus der Zeit gefallen. Gerade bei Frauen und Jungwählern schneidet der 68-Jährige in den Erhebungen nicht gut ab. Ein Regierungsamt hatte Merz noch nie inne. Im Umgang mit Kritik - auch mit innerparteilicher - wirkte er in der Vergangenheit nicht immer souverän.
Nach dem Machtverlust 2021 hat Merz als Vorsitzender die CDU wieder aufgebaut und inhaltlich neu aufgestellt. Das im Mai auf dem Parteitag verabschiedete neue Grundsatzprogramm ist der Leitfaden für den kommenden Wahlkampf.
Rückkehr zum Konservativen
Das Programm ist eine Rückkehr zum Konservativen - damit hat die Partei die Ära Merkel hinter sich gelassen. Er hat die Unions-Bundestagsfraktion wieder auf Linie gebracht. An seine Rolle als Oppositionsführer hat Merz sich mittlerweile gewöhnt, in dieser Funktion treibt er die Ampel-Regierung vor sich her. Zuletzt beim Thema Migration.
Profitieren könnte Merz mehr von der schwachen Performance der Ampel den ständigen Streitereien in der Regierung, diese Uneinigkeit könnte er nutzen, um mit besseren Vorschlägen zu punkten. Eine Erfolgsgarantie ist das alles aber nicht. Die Rolle des Oppositionsführers muss Merz jetzt mit der Rolle des Kanzlerkandidaten vereinen.
Ein schmaler Grat zwischen Machtstreben und Kompromissen, Versöhnlichkeit. Die Ampel macht nur allzu deutlich, dass Streit vom Wähler nicht honoriert wird.
Merz' Machtoptionen
Zur neuen Rolle gehört zudem, dass Merz Machtoptionen aufzeigt. Mindestens einen Koalitionspartner wird die Union brauchen, auch wenn sie erstarken sollte. Derzeit liegt sie in Umfragen bei rund 30 Prozent. Wüst und Daniel Günther, die Landeschefs aus NRW und Schleswig-Holstein, standen am Dienstag gemeinsam vor den Kameras. Beide regieren in schwarz-grünen Koalitionen - erfolgreich, sagt Günther: "Wir zeigen auch, dass Schwarz-Grün gut zusammenarbeiten kann, dass wir im Unterschied zur Ampel in Berlin gemeinsam an Projekten arbeiten."
Für den CSU-Chef keine Option - aus bayerischer Sicht kommen weder die Grünen, die AfD noch das BSW in Frage. Das hat Söder mehr als einmal klar gemacht. Auch an dieser Frage wird sich der heute viel beschworene Zusammenhalt messen lassen müssen. Das könnte zum Belastungstest für das Verhältnis der Schwesterparteien werden.
Eine große Überraschung war die Verkündung nicht. Am kommenden Montag tagen die Führungsgremien beider Parteien, dann wird die finale, formelle Entscheidung über den Unions-Kanzlerkandidaten getroffen.