Beschluss des Parteivorstands Die Linke will sich mit den Reichsten anlegen
Die Linke fordert, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird. Das Grundgesetz steht dem nicht entgegen. 1997 wurde die Steuer aber ausgesetzt. Das erklärte Ziel der Linken ist, Milliardäre "abzuschaffen".
Es ist zurzeit nicht leicht für die Linken, mit politischen Forderungen aufzufallen. Seit sie durch die Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) keinen Fraktionsstatus mehr im Bundestag hat und seitdem ihre Umfragewerte unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen sind, schmilzt auch der politische Einfluss.
Jetzt packt die Linke ein Thema wieder aus, das nicht neu ist, aber in Zeiten einer Haushaltskrise zumindest für Diskussionsstoff sorgt: Die Linke will, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird. Dazu wird es am Wochenende einen Parteivorstandsbeschluss geben. Der Kampf gegen die Reichsten scheint das Wahlkampfthema der Linken zu werden.
Konkret will die Linke die Besteuerung so vornehmen: Ein Prozent ab einer Million Euro Nettovermögen, fünf Prozent ab 50 Millionen Euro und für Vermögen oberhalb von einer Milliarde Euro zwölf Prozent.
Aktuelle Diskussion um soziale Gerechtigkeit
Die Parteivorsitzende Janine Wissler findet: "Es sollte in einer gerechten und demokratischen Gesellschaft keine Milliardäre geben." Angesichts der derzeit zu bewältigenden Krisen sei es absurd, dass es in Deutschland 237 Milliardärsfamilien gebe, die weder Vermögens- noch angemessen Erbschaftssteuer zahlten. "Leider tut die Ampel nichts gegen diese himmelschreiende Ungerechtigkeit. Sie kürzt lieber bei Sozialem und bei denen, die ohnehin wenig haben."
Die Forderung passt gut in die aktuelle Diskussion um soziale Gerechtigkeit und um die Schuldenbremse. Denn selbst, wenn die politische Durchsetzungskraft der Linken derzeit gering ist - das Thema einer Umverteilung von Vermögen beschäftigt viele Menschen.
So hat eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung 2021 ergeben, dass 77 Prozent der Befragten sich für eine Einführung der Vermögenssteuer in Deutschland aussprechen. Allerdings sagt nur eine Minderheit von 37 Prozent, dass sie auch bereit wären, selbst mehr Steuern zu zahlen, wenn dadurch arme Menschen besser finanziell unterstützt würden.
Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 durch den Unternehmer Reinhard Mohn gegründet, den damaligen Chef des Medienkonzerns Bertelsmann. Nach Angaben des Konzerns halten Stiftungen, unter anderem die Bertelsmann Stiftung, heute etwas mehr als 80 Prozent der Aktien am Bertelsmann-Konzern, zu dem unter anderem die RTL Group, das Musikunternehmen BMG, die Verlagsgruppe Penguin Random House sowie Servicegeschäfte gehören.
Für ihre Studien sammelt und analysiert die Bertelsmann Stiftung Daten und gibt Handlungsempfehlungen an die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger ab. Sie arbeitet operativ, das heißt sie unterstützt nicht die Arbeit Dritter, sondern investiert ausschließlich in selbst initiierte Projekte. Dabei dient sie nach eigenen Angaben dem Gemeinwohl und ist zu politischer Neutralität verpflichtet.
Mit der FDP nicht durchsetzbar
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, kritisiert die Situation in Deutschland ohne eine Vermögenssteuer: "Das bestehende Steuersystem zementiert die soziale Ungleichheit. Kaum ein Land in der Welt besteuert Arbeit stärker und Vermögen geringer als Deutschland."
In der aktuellen politischen Konstellation ist die Forderung nach einer Vermögenssteuer jedoch kaum durchsetzbar. Und das, obwohl sich die beiden Ampel-Partner SPD und Grüne eine solche Steuer durchaus vorstellen könnten. Allerdings gibt es ja noch die FDP - und die ist strikt dagegen.
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Markus Herbrand, macht eine klare Absage zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer: "In Zeiten größter wirtschaftlicher Herausforderungen Unternehmen mit zusätzlichen Steuern belasten zu wollen, ist entweder nicht zu Ende gedacht oder zielt absichtlich darauf ab, Wirtschaftsunternehmen aus unserem Land zu vertreiben."
Die höchsten Vermögen in Deutschland lägen nicht auf Bankkonten, sondern steckten "zusammen mit viel Schweiß und Anstrengung in den zahlreichen mittelständischen und inhabergeführten Unternehmen".
"Könnte massive Kapitalflucht auslösen"
Wäre also eine Vermögenssteuer eine Art steuerlicher Betonfuß, der die deutsche Wirtschaft unmäßig belasten würde? Zustimmung bekommt die FDP vom Präsidenten des ifo-Wirtschaftsinstituts, Clemens Fuest.
Er befürchtet: "Eine solche Besteuerung würde eine massive Kapitalflucht aus Deutschland auslösen und zu einem wirtschaftlichen Niedergang führen. Es ist zu bedenken, dass gerade sehr vermögende Steuerzahler in der Regel nicht von ihrem Arbeitseinkommen abhängig sind und deshalb ihren Wohnsitz und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten leicht ins Ausland verlagern können."
Forderung nicht auf Deutschland begrenzt
Demgegenüber rechnet die Linke vor, dass die fünf reichsten Europäer ihr Vermögen seit 2020 um mehr als drei Viertel gesteigert haben. Die Armen würden ärmer, die wenigen sehr Reichen immer noch reicher. "Daher ist es nun auch vernünftig, darüber nachzudenken, wie eine andere Steuerpolitik genutzt werden kann, um die Ungleichheit zu bekämpfen", findet Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Linken.
Die Linke will ihre Forderung übrigens nicht auf Deutschland begrenzen. Sie fordert, dass die Vermögenssteuer EU-weit wieder eingeführt werden sollte. Da dieses Vorhaben durch das Europäische Parlament müsste, ist auch hier die Umsetzung mehr als fraglich.
Von den Reichen nehmen, um den Armen zu geben - der Gedanke ist nicht neu. Er könnte aber bei der bevorstehenden Europawahl die Aufmerksamkeit wieder ein wenig auf die Linke richten.