Heidi Reichinnek und Sören Pellmann
Player: audioLinken-Fraktion bietet Parteien der politischen Mitte Unterstützung an

Linke im Bundestag Wie geht es nach dem Überraschungserfolg weiter?

Stand: 28.03.2025 18:29 Uhr

Die Linke ist mit einer deutlich vergrößerten Fraktion im neuen Bundestag vertreten. Sie will weiter auf die Themen Miete und Lebenshaltungskosten setzen. Einige Konflikte sind bereits abzusehen.

Von Kerstin Palzer , ARD-Hauptstadtstudio

Sie können es immer noch nicht fassen: Nach der großen Krise, nach dem Absturz in allen Umfragen und Landtagswahlen, nach dem Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag und nachdem nahezu niemand mehr an sie geglaubt hatte - noch nicht einmal sie selbst -, ist sie wieder da: die Fraktion der Linken im Bundestag.

Statistisch sieht das so aus: 64 Abgeordnete, darunter sechs, die ihre Direktmandate gewonnen haben (vier in Berlin, jeweils eines in Leipzig und eines in Erfurt/Weimar).

Lediglich 13 Abgeordnete hatten schon vor der Wahl diesen Job, waren also Teil der kleinen Gruppe, die die Linke noch im Bundestag hatte. 51 Abgeordnete sind neu hier. Gerade mal fünf waren früher schon mal im Bundestag, kennen sich also zumindest mit den organisatorischen Abläufen aus.

Der Frauen-Anteil liegt bei 56 Prozent, nur die Grünen haben noch mehr Frauen in ihrer Fraktion. 18 Prozent der linken Abgeordneten haben einen Migrationshintergrund.

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Außenpolitische Konfliktthemen

Was aber sofort auffällt, wenn man sich hier umschaut: Es sind sehr viele junge Menschen dabei. Die drei jüngsten Abgeordneten des gesamten Bundestages sind bei der Linken, das durchschnittliche Alter der Fraktion liegt bei 42 Jahren.

"Wir werden lauter", sagt die ehemalige Parteichefin Janine Wissler und beschreibt die Stimmung als "wahnsinnig dynamisch".

Konflikte könnte es im Bereich der Außenpolitik geben. Die unterschiedlichen Positionen zu Israel und Palästina sind immer wieder intern Diskussionsthema. Auch in der Frage, ob man der Ukraine Waffen liefern sollte, ist die Linke nicht geeint.

Aber bisher wird darüber kaum öffentlich diskutiert. Bis jetzt genießt die Linke ihre ungewohnte Geschlossenheit.

Partei versteht sich als Gegengewicht zur AfD

Diese Fraktion versteht sich als antifaschistische Kraft, als diejenigen, die das laute Gegengewicht zur AfD sein wollen (wenn auch in einer deutlich kleineren Fraktion). Als die neuen Abgeordneten sich zum ersten Gruppenbild im Bundestag aufgestellt haben, skandierten sie den Kampfruf der in Teilen linksextremen Antifa "Alerta, alerta, antifascista!"

Der ehemalige Ministerpräsident Thüringens und jetzige Bundestags-Vizepräsident Bodo Ramelow hat sich am Kampfruf nicht beteiligt, er verteidigt dieses Auftreten aber als Reaktion auf die AfD: "Diese Form, wie die AfD versucht, den Raum zu ergreifen und eine Tonalität an den Tag legt, bei der man das Gefühl hat, die Ordnungsrufe werden zur Trophäe, dann macht das deutlich, dass die ungeschriebenen Regeln des Parlamentarismus unter die Räder kommen können."

Auch Fraktions-Chefin Heidi Reichinnek betont, "die klare Position gegen rechts hat uns teilweise den Erfolg gebracht. Aber für uns ist auch ganz klar: Man bekämpft eine Partei wie die AfD vor allen Dingen mit einer starken Sozialpolitik. Dafür werden wir uns weiter einsetzen."

Hauptthemen weiterhin Miete und hohe Kosten

Inhaltlich aber kommt aus der Klausurtagung wenig Neues. Das, was die Linke im Wahlkampf auf die Erfolgsspur gesetzt hat, war der Kampf gegen hohe Preise im Supermarkt und gegen hohe Mieten. Da will man weitermachen.

Wohnen spiele auch in den jetzigen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD eine viel zu kleine Rolle, kritisiert Reichinnek: "Ein zentrales Thema in unserem 100-Tage-Programm ist bezahlbares Wohnen, und genau damit legen wir auch direkt los. Wir haben heute unsere Mietwucher-App auch in Potsdam freigeschaltet und werden zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Verfolgung von Mietwucher erleichtert."

Außerdem will die Linke noch vor der Sommerpause zu einem Mietengipfel einladen und den Kampf für einen Mietendeckel weiter vorantreiben.

Kritik an Schuldenbremse und NATO

Nicht überraschend oder neu ist auch die Position der Linken, dass die Schuldenbremse komplett abgeschafft werden sollte. Dafür bietet sich die Linke auch als Unterstützerin an, wenn die neue Regierung erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament braucht.

"Wir als Linke sind willens, über die Schuldenbremse mit der Mehrheit des Hauses ins Gespräch zu kommen", sagt Ramelow und betont, dass die Linke auch zur Verfügung stehe, wenn es darum geht, den Föderalismus in der Bildungspolitik abzuschaffen.

Genauso klar - und bekannt - ist jedoch, dass die Linke nicht zur Verfügung steht, wenn es um weitere Verteidigungsausgaben geht. Ramelow spricht von der NATO nicht mehr als Wertegemeinschaft, sondern als "Beutegemeinschaft" und sagt: "Den Fehdehandschuh NATO haben - nachdem was Trump gemacht hat, nachdem was Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt hat - nicht die Linken geworfen".

Die Linke ist sich ihrer neuen Stärke bewusst, sie weiß, dass die Regierung aus Union und SPD abhängig von ihr sein könnte, wenn es darum geht, eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen. "Auf Augenhöhe" müsse man da mit ihr verhandeln, betont Parteichefin Ines Schwerdtner.

Nicht kooperativ zeigt sich die Linke nämlich, wenn es um Mehrheiten zusammen mit der AfD geht. Schwerdtner kündigt jetzt schon an: "Es muss eine schriftliche Vereinbarung geben, dass es keine Mehrheiten mit der AfD geben wird."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 24. Februar 2025 um 06:00 Uhr.