Streit in der Linkspartei Der Anfang vom Ende?
Ein alter Streit geht in die nächste Runde: Der Parteivorstand der Linken hat Wagenknecht aufgefordert, ihr Mandat zurückzugeben. Die Partei reagiert zunehmend gespalten - und könnte ihren Status als Bundestagsfraktion verlieren.
Als die linke Parteichefin Janine Wissler heute im Karl-Liebknecht-Haus auf der allwöchentlichen Pressekonferenz spricht, ist das keine Routine. Denn die Reaktionen auf den einstimmigen Beschluss des Parteivorstandes zur "Causa Wagenknecht" überschatten alle anderen Themen. Die Empörung über das Vorgehen Sahra Wagenknechts ist Wissler deutlich anzumerken.
Es sei ihre Aufgabe als Parteivorsitzende, die Einheit der Partei gegen alle Anfechtungen von innen und außen zu verteidigen, sagt sie und es ist klar, was - oder besser wen - sie meint. Wissler erklärt, dass die Gruppe rund um Wagenknecht offenbar konkret Strukturen aufbaue, um die Gründung einer neuen, konkurrierenden Partei voranzutreiben. Dass Wahlkreisbüros gekündigt und Leute abgeworben würden.
Lange und intensive Gespräche
Wissler sagt auch, dass der Parteivorstand und Wagenknecht "sehr lange und intensiv miteinander gerungen" hätten, dass man immer wieder, zuletzt vor zwei Wochen, Gespräche miteinander geführt hätte. Und sie spricht von einem "Damoklesschwert", das durch die Ankündigung Wagenknechts, eine neue Partei zu gründen, über der jetzigen Linkspartei schwebe.
So ein Damoklesschwert ist tödlich, wenn es denn herunterfällt. Das zeigt - gewollt oder ungewollt - wie sehr die Linke sich von einer Wagenknecht-Partei bedroht fühlt. Wie sehr es um die Existenz dieser Partei geht.
Uneinigkeit in der Bundestagsfraktion
Und dann ist da noch die Fraktion im Bundestag, der auch Wissler angehört, von lediglich 39 Abgeordneten. In der vorherigen Legislaturperiode waren es noch 69. Doch auch die jetzigen Abgeordneten der Linken sind das Gegenteil von einig. Christian Leye, Fraktionsmitglied, sagt: "Das politische Tischtuch ist endgültig zerschnitten und der Parteivorstand hatte die Schere in der Hand."
Seine Fraktionskollegin Caren Lay ist definitiv anderer Meinung und schreibt: "Wer sich seit 2 Jahren mehr an der eigenen Partei abarbeitet als an den Verhältnissen & ein Konkurrenzprojekt plant, kann nicht erwarten, dass das unbeantwortet bleibt."
Linke-Abgeordnete fordern Rücktritt des Vorstands
Bereits am Wochenende verschickten die beiden Linken-Abgeordneten Klaus Ernst und Alexander Ulrich eine Erklärung. Darin heißt es unmissverständlich: "Ausgerechnet jene, die ihr Mandat Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und anderen verdanken, fordern nun, dass Wagenknecht ihr Mandat zurückgeben soll. Das ist absurd."
Sie schreiben davon, dass der Parteivorstand der Linken nie ohne Wagenknecht seinem "Sektendasein" entkommen wäre und sie fordern den Vorstand auf, "seinen geschlossenen Rücktritt zu erklären". Dies hat Janine Wissler erwartungsgemäß heute von sich gewiesen.
Mohamed Ali: Beschluss ist "großer Fehler"
Die Fraktionschefin Amira Mohamed Ali hat auf Twitter verkündet, dass sie den Beschluss des Parteivorstandes "für einen großen Fehler und einer Partei unwürdig" hält. Und kritisiert weiter harsch das Vorgehen ihrer Partei, "Vorstandsbeschlüsse gegen eigene Mitglieder zu fällen und öffentlich breit zu treten".
Es ist offensichtlich: Die Partei spaltet sich weiter und die Fraktion im Bundestag mit ihr. Denn sollte Wagenknecht ihre Fraktion verlassen und mindestens drei weitere Abgeordnete mitnehmen, würde die Linke ihren Status als Fraktion verlieren.
Stellen sich mehr Abgeordnete hinter Wagenknecht?
Allein diejenigen, die sich bis jetzt öffentlich hinter Sahra Wagenknecht gestellt haben, sind mehr. Intern spricht man von 8 bis 10 Abgeordneten, die sich mit Wagenknecht solidarisieren würden. Sollten diese Abgeordneten die Fraktion verlassen, wären sie nur noch eine sogenannte Gruppe, mit weniger Redezeit, weniger Geld, weniger Einfluss.
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, will genau dieses Szenario auf jeden Fall verhindern. Doch auf die brutale Zerreißprobe in seiner Fraktion hat Bartsch folgendermaßen reagiert: Als am Samstag bereits der politische Streit tobte, twitterte er über die DDR-Zeitschriften Atze, Bummi und Frösi und schrieb: "Das waren noch Zeiten." Den Tweet hat Bartsch mittlerweile gelöscht. Zum eskalierenden Streit in seiner Partei und seiner Fraktion äußert er sich bis jetzt nicht. Morgen ist Fraktionssitzung und die könnte einen Showdown bedeuten.
Und Sahra Wagenknecht? Die schweigt seit "ihre" Parteivorsitzenden ihr angeraten haben, das Bundestagsmandat zurückzugeben. Und es wirkt wie ein sehr mächtiges Schweigen.