Wagenknecht und die Linke Der Riss wird größer
Der Streit zwischen Sahra Wagenknecht und der Linken-Spitze geht weiter: Die frühere Fraktionschefin sieht die Linke im Niedergang begriffen. Gründet Wagenknecht eine eigene Partei?
Der Riss zwischen Sahra Wagenknecht und der Parteispitze der Linken vertieft sich. Wagenknecht attackierte die Führungsriege scharf, weil diese ihrerseits die von Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer organisierte Kundgebung in Berlin kritisert hatte. Wagenknecht sagte dazu im "Tagesspiegel", dies zeuge "vom traurigen Niedergang der einstigen Friedenspartei" die Linke.
"Phantasie überfordert"
Das Verhalten des Parteivorstands bestärke bei ihr den Eindruck, "dass zumindest die Mehrheit in diesem Gremium mit dem Grundkonsens der Linken nichts mehr am Hut hat". Die Unterschiede zwischen ihr und dem Parteivorstand seien "mittlerweile so groß, dass die Vorstellung, wie das noch einmal zusammenfinden soll, meine Phantasie überfordert".
Die frühere Fraktionschefin der Linken und Schwarzer waren teilweise heftig für das "Manifest für Frieden" und den damit verbundenen Aufruf zu der Kundgebung vergangene Woche in Berlin kritisiert worden. Dabei kamen kritische Stimmen auch aus den Reihen von Wagenknechts Partei, die eine ausreichende Distanzierung von Russland sowie eine Abgrenzung nach Rechts vermisste. Unter anderem hatten Funktionäre der AfD sowohl das Manifest unterzeichnet, als auch an der Demonstration teilgenommen.
Keine erneute Kandidatur
Auch die Reaktionen der Parteispitze auf Wagenknechts Ankündigung, nicht erneut für die Linke zu kandidieren, zeigt den bestehenden Bruch. Die beiden Co-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan reagierten kühl auf die Ankündigung. Von der Parteibasis kommt allerdings auch viel Zuspruch für Wagenknecht.
Am Freitag hatte Wagenknecht in einem Interview mit der "Rheinpfalz" gesagt: "Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe ich aus." Auch dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigte sie, Konsequenzen zu ziehen. Sie wolle sich nach Ablauf der Legislaturperiode entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, "oder es ergibt sich politisch etwas Neues", sagte sie der "Rheinpfalz".
Damit spielte Wagenknecht auf Spekulationen an, dass sie möglicherweise die Gründung einer neuen Partei plant. In dieser Sache hält sie sich aber nach wie vor bedeckt. Angesprochen auf eine eventuelle Neugründung sagte sie: "Darüber wird an vielen Stellen diskutiert". Es sei nach ihrer Beobachtung ein Problem, dass sich viele Menschen im heutigen Parteienspektrum von niemandem mehr wirklich vertreten fühlten.
"Ich kommentiere das nicht"
Parteichefin Wissler sagte zu Wagenknechts Ankündigung vom Freitag nur: "Das ist ihre Entscheidung. Ich kommentiere das nicht." Sie nannte "das Kokettieren mit neuen Parteien" nicht hilfreich. Allerdings kenne sie auch "keine genauen Pläne" und "keine Bestrebungen dahingehend". Die Vizevorsitzende Katina Schubert warf Wagenknecht vor, diese arbeite "schon lange auf eigene Rechnung" und gegen die Partei. Und: "Reisende soll man nicht aufhalten."
Das konterten Wagenknechts Anhänger scharf. "Das jahrelange Mobbing der jeweiligen Parteiführung gegen die populärste Politikerin in den eigenen Reihen hat nun Konsequenzen", erklärte der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich. "Ich kann nachvollziehen, warum Sahra Wagenknecht nicht mehr bereit ist, für diese Linke zu kandidieren. Warum soll sie einer Partei das politische Überleben organisieren, die sie jeden Tag bekämpft?"
Der frühere Parteichef Klaus Ernst zeigte sich auf Twitter demonstrativ mit Wagenknecht und kommentierte: "Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet."
Mit Informationen von Mario Kubina, ARD-Hauptstadtstudio