Verteidigungsminister von Deutschland, den USA und der Ukraine sitzen während Beratungen an einem Tisch.
FAQ

Waffenhilfe für die Ukraine Wer will was im Panzer-Streit?

Stand: 20.01.2023 16:00 Uhr

Vom "Panzer-Gipfel" in Ramstein ist schon die Rede. Doch ob bei dem Treffen auf der US-Basis eine Entscheidung über die Lieferung von "Leopard"-Kampfpanzern an Kiew fällt, ist fraglich. Wer will was - und wo hakt es?

Die Ausgangslage

"Wenn ihr 'Leopard'-Panzer habt, dann gebt sie uns", hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem deutschen Kanzler vor dem Treffen in Ramstein via ARD-Interview zugerufen. Bislang aber zögert Olaf Scholz - ungeachtet aller Kritik. Ob eine Entscheidung in Ramstein fällt, ist unklar. Auf der US-Basis diskutieren seit dem Vormittag Vertreter der NATO-Staaten und anderer Unterstützerländer der Ukraine über weitere Militärhilfen für das von Russland angegriffene Land. Mit dabei: der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Seit wann schwelt die Debatte um "Leopards" für die Ukraine?

Seit fast einem Jahr. Sie beginnt an Tag acht des russischen Angriffskriegs, dem 3. März 2022, als die ukrainische Botschaft in Berlin eine sogenannte Verbalnote an das Kanzleramt, das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium übermittelt. "Um der perfiden Aggression seitens der Russischen Föderation gegen die Ukraine endlich effektiv entgegenwirken zu können, müssen unsere Verbündeten dringend sämtliche Maßnahmen treffen, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine massiv zu stärken", heißt es darin.

Dann folgt eine Wunschliste mit fast 30 Waffensystemen, die nun im Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer benötigt würden. An erster Stelle: Kampfpanzer. Die Bundesregierung hat zu diesem Zeitpunkt Panzerfäuste, "Stinger"-Raketen und gepanzerte Fahrzeuge zugesagt. Außerdem hat die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht 23.000 Schutzhelme auf den Weg in die Ukraine gebracht.

An die Lieferung von schweren Waffen denkt in der Bundesregierung aber noch niemand. Das ändert sich in den folgenden Monaten radikal. Erst werden "Gepard"-Flakpanzer zugesagt, dann die "Panzerhaubitze 2000", ein modernes Artilleriegeschütz. Auch Mehrfachraketenwerfer werden irgendwann aus Deutschland geliefert und ein Flugabwehrsystem, das eine ganze Stadt schützen kann. Aber ein Waffensystem fehlt bis heute: der "Leopard 2", einer der schlagkräftigsten Kampfpanzer der Welt.

Christian Kretschmer, SWR, über den Druck auf Deutschland zur Lieferung von Kampfpanzer

tagesschau 12:00 Uhr

Ob der neue Verteidigungsminister Pistorius für Ramstein eine Entscheidung über die "Leopards" im Gepäck hat, ist fraglich. Am Rande des Treffens am Freitagmittag sagte er lediglich, er lasse die Verfügbarkeit und Stückzahl der Panzer prüfen. Man bereite sich auf "den Fall der Fälle" vor, so Pistorius.

Fest steht: Der Entscheidungsdruck auf Kanzler Scholz und seine Regierung ist in den vergangenen Tagen massiv gewachsen. Pistorius machte bereits vor dem Treffen klar: Die Frage, ob deutsche Panzer geliefert werden, ist Chefsache. "Das ist eine Frage, die der Bundeskanzler mit dem amerikanischen Präsidenten erörtert", sagte er am Donnerstagabend in der ARD. Er betonte aber auch: "Ich bin ziemlich sicher, dass wir in den nächsten Tagen eine Entscheidung dazu bekommen werden."

Warum fordert die Ukraine unbedingt Kampfpanzer?

Die Lage an der Front ist seit Wochen festgefahren. Der Verlauf verschiebt sich trotz heftiger Kämpfe kaum noch, zuletzt verbuchten die russischen Truppen kleinere Geländegewinnen. Panzer können der Ukraine helfen, feindliche Stellungen zu durchbrechen und weitere besetzte Gebiete zurückzugewinnen. Außerdem gibt es Befürchtungen, dass der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits im Frühjahr eine Großoffensive starten könnte. Die Ukraine müsste dem etwas entgegensetzen.

Nach welchen Kriterien entscheidet Scholz?

Für den Kanzler gelten bei den Waffenlieferungen drei Prinzipien: 1. Die Ukraine muss entschlossen unterstützt werden. 2. Deutschland und die NATO dürfen nicht in den Krieg hineingezogen werden. 3. Es darf keine Alleingänge geben.

Vor allem beim zweiten Punkt weiß Scholz eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter sich. Schon in einer frühen Phase des Krieges hat er vor einem Atomkrieg gewarnt. Andererseits sieht Putin die NATO wegen der bisherigen Waffenlieferungen ohnehin schon längst als Kriegspartei. Und es stellt sich die Frage: Will man sich von russischen Drohungen einschüchtern lassen? Fakt ist, dass auch die Lieferung von "Leopard"-Panzern Deutschland und seine Verbündeten völkerrechtlich nicht zur Kriegspartei machen würde.

Was ist mit dem Argument "keine Alleingänge"?

Das ist zunehmend entkräftet. Großbritannien hat bereits die Lieferung von Kampfpanzern vom Typ "Challenger 2" angekündigt. Polen und Finnland wollen "Leopard-2"-Panzer im europäischen Verbund in die Ukraine schicken. Auch andere europäische Länder wie Schweden oder Spanien sympathisieren damit. Für Scholz ist ein anderer Verbündeter entscheidend: die USA. Immer wenn es darum ging, bei den Waffenlieferungen einen qualitativ neuen Schritt zu gehen, entschied Scholz nicht ohne die USA. Das war bei den Mehrfachraketenwerfern so, bei Patriot-Flugabwehrsystemen und zuletzt bei den Schützenpanzern "Marder".

Warum liefern die USA keine "Abrams"-Kampfpanzer?

US-Präsident Joe Biden ist in der Panzer-Frage ähnlich zögerlich wie Scholz. Allerdings aus anderen Gründen. Die Amerikaner haben zwar grundsätzlich nichts gegen die Lieferung von Kampfpanzern einzuwenden, halten aber die Bereitstellung des "Abrams" aus praktischen Gründen nicht für sinnvoll. Die US-Panzer müssten erst über den Atlantik transportiert werden, die Instandhaltung sei aufwendiger und sie verbrauchten zu viel Treibstoff. "Es macht einfach keinen Sinn, den Ukrainern dieses Mittel zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen", sagt Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh. Die Amerikaner haben in den vergangenen Wochen aber deutlich gemacht, dass sie keine Einwände gegen die Lieferung von "Leopard 2"-Panzern aus deutscher Produktion hätten

Scholz soll laut Medienberichten die Lieferung von "Leopard" an die Bedingung geknüpft haben, dass auch die USA ihrerseits "Abrams" liefern. Verteidigungsminister Pistorius widersprach dieser Darstellung jedoch: Eine solche Verknüpfung sei ihm "nicht bekannt". Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit dementierte, dass die Lieferung amerikanischer "Abrams"-Kampfpanzer die Voraussetzung für deutsche "Leopard"-Panzer an die Ukraine sei. Es bleibe aber dabei, dass man sich mit den Verbündeten, vor allem den USA, möglichst eng über die Lieferung neuer Waffensysteme abstimmen müsse.

"Wir gehen abgestimmt vor", Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister SPD, zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine

ARD Brennpunkt

Warum hat Deutschland bei den "Leopard 2" eine Schlüsselrolle?

Sie werden in Deutschland produziert. Für Rüstungsexporte aus Deutschland gilt: Eine Weitergabe in Drittländer muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Das wird in der Regel in den Kaufverträgen festgehalten. Das heißt: Polen und Finnland müssten bei einer Lieferung ihrer "Leopard 2"-Panzer in die Ukraine grünes Licht aus Deutschland bekommen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte jedoch angedeutet, dass Polen "Leopard"-Panzer an die Ukraine liefern könnte, ohne auf eine deutsche Genehmigung zu warten.

Könnte Deutschland anderen Ländern die Lieferung erlauben und selbst nicht liefern?

Im Prinzip ja, auch wenn das schwer zu vermitteln wäre. Es ist aber auch möglich, dass den Verbündeten zuerst eine Lieferung der "Leopard 2"-Panzer erlaubt wird - vielleicht schon in Ramstein - und über eine eigene Lieferung erst später entschieden wird. Auf die Frage, ob Deutschland in Ramstein grünes Licht für die Panzerlieferungen geben werde, sagte Pistorius am Donnerstag in der ARD: "Das wird sich in den nächsten Stunden oder morgen früh herausstellen."

(Quelle: dpa, AFP)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. Januar 2023 um 12:00 Uhr.