Krankenhausreform Weniger Kliniken, dafür mehr Qualität?
Die Krankenhausreform kommt nur schleppend in Gang. Gesundheitsminister Lauterbach verhandelt heute erneut mit den Ländern über die Pläne. Doch noch gibt es viele strittige Punkte.
Eigentlich dürfte Karl Lauterbach mittlerweile nicht mehr so sehr zum Lachen zumute sein - zumindest, was seine groß angekündigte Krankenhausreform betrifft. Die Verhandlungen mit den Ländern verlaufen schleppend. Schon mehrfach wurden Fortschritte verkündet, um dann im Nachhinein zu erklären, dass man sich in wesentlichen Punkten doch nicht einig sei. Aber dem Bundesgesundheitsminister ist der Humor noch nicht abhandengekommen. Das lässt der Minister seine Follower gerne auf Twitter wissen: Dort berichtete er am Freitag vom Besuch von zwei Comedians in seinem Haus.
Doch heute droht es ein langer Tag zu werden, der die Laune des Ministers deutlich verschlechtern könnte. Lauterbach sieht seine Reform an einem Scheidepunkt. Eigentlich sollte der Plan für die Zukunft der Krankenhäuser längst fertig sein. Bislang konnten sich Bund und Länder aber nicht auf gemeinsame Eckpunkte einigen.
Heute will Lauterbach so lange im Ministerium mit allen zusammensitzen, wie es eben nötig ist, um Kompromisse zu finden. "Wir können hier aber keine faulen Kompromisse machen", betont der Minister. Er klang schon mal optimistischer, dass es zu einer Einigung kommen wird.
Es geht auch ums Geld
Schon seit Monaten verhandeln Bund und Länder über die Reform. Nach einem Treffen Anfang Juli schienen die Fronten verhärtet. Bei zentralen Fragen liegen sie weiter über Kreuz. Ein zentraler Streitpunkt: das Geld. Die Länder wollen Geld vom Bund, um den Umbau der Kliniklandschaft zu finanzieren. Zusätzlich fordern sie weitere Soforthilfen, um angeschlagene Krankenhäuser kurzfristig vor der Pleite zu retten. Die Länder verweisen auf die gestiegenen Energiekosten und die Tarifsteigerungen, die viele Kliniken schon jetzt stark belasten.
"Das ist so ein Thema, wo wir sehr, sehr weit auseinander liegen", sagt der bayerische Gesundheitsminister, CSU-Politiker Klaus Holetschek. Denn Lauterbach lehnt weitere Soforthilfe ab. Er will das Geld nicht weiter mit der Gießkanne verteilen, sondern ausschließlich in die Reform und damit in den Umbau der Krankenhauslandschaft investieren. Zumal weitere Hilfsgelder für die Kliniken nicht mit dem Sparkurs der Ampel zusammenpassen.
Leistungsgruppen nach Vorbild Nordrhein-Westfalens
Stattdessen will Lauterbach die Versorgung konzentrieren, um die Qualität zu verbessern. Das bedeutet, dass nicht mehr alle Krankenhäuser alle Behandlungen anbieten sollen. Dabei stützt er sich auf Studien, die zeigen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit für einige Krankheiten deutlich steigt, wenn man in spezialisierten Krankenhäusern behandelt wird. Kleinere Häuser sollen nur noch solche Behandlungen durchführen und abrechnen können, für die sie qualifiziert sind.
Der Plan sieht vor, dass die Länder den Krankenhäusern nach Vorbild Nordrhein-Westfalens sogenannte Leistungsgruppen zuteilen, zum Beispiel Kardiologie oder Schlaganfall-Zentrum. Darin sollen bundeseinheitliche Mindestanforderungen an die medizinische Ausstattung und das Personal definiert werden. Die Leistungsgruppen zeigen an, welche Operationen durchgeführt oder welche Krankheiten in den Häusern behandelt werden dürfen. Nur wenn eine bestimmte Qualität gewährleistet ist, sollen die Kliniken dafür Geld bekommen.
Aber auch hier wird noch um Details gerungen. Die Länder wollen sicherstellen, dass der Bund diese Leistungsgruppen nicht nutzt, um durch die Hintertür in ihre Planungshoheit einzugreifen. Lauterbach und auch die Bundestagsabgeordneten müssten die Länderkompetenzen anerkennen, lässt etwa der bayerische Gesundheitsminister Holetschek vor der Verhandlungsrunde noch einmal wissen.
Krankenkassen drängen auf Einigung
Dass all das auch Klinikschließungen zur Folge haben wird, rückt der Minister nicht so gerne in den Mittelpunkt. Ihm gehe es vor allem darum, dass Patientinnen und Patienten gut versorgt werden, wird Lauterbach nicht müde zu betonen. Deshalb will er die Qualität der Kliniken in einer interaktiven Karte veröffentlichen. Mit Informationen wie der Anzahl durchgeführter Eingriffe, spezialisierter Fachärztinnen und Fachärzte und aufgetretener Komplikationen. Hiergegen wehren sich die Länder - sie befürchten, dass vor allem kleinere Kliniken dadurch Patienten und Personal verlieren könnten.
Die Krankenkassen drängen auf eine Einigung. Dass Lauterbach Informationen über die Qualität der Kliniken anschaulich veröffentlichen will, finden die Kassen gut. Neben Spitzenmedizin in zertifizierten Zentren gebe es aktuell auch Kliniken, die Eingriffe ohne die erforderliche technische Ausstattung und die nötige Erfahrung vornehmen würden, sagt etwa die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands Carola Reimann. Das sei inakzeptabel.
Für die Patientinnen und Patienten seien diese Unterschiede aber in der Regel nicht transparent. Daher sollte künftig ganz klar erkennbar sein, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen zugewiesen bekommen habe, sagt Reimann. So könnten die Menschen sicher sein, dass die entsprechenden Qualitätsstandards eingehalten werden.
Weniger ökonomischer Druck
Weitgehend einig sind sich Bund und Länder darüber, dass es weniger ökonomischen Druck in den Kliniken geben soll. Deshalb soll sich das Finanzierungssystem grundsätzlich ändern. Bisher werden die Kliniken für jeden behandelten Fall bezahlt, sie bekommen also Geld für durchgeführte Operationen und Untersuchungen. In Zukunft soll es mehr Geld für die Fixkosten geben, etwa dafür, dass genug Personal da ist oder die Stationen und Notaufnahmen technisch gut ausgestattet sind.
Aus einem Papier der Länder, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, gehen aber zahlreiche strittige Punkte mit dem Bund hervor. Es ist unter anderem noch unklar, wie diese Fixkosten der Kliniken konkret berechnet werden sollen. Bislang zeichnet sich auch noch kein Kompromiss ab, ob Krankenhäuser weniger oder gar kein Geld bekommen, wenn sie Qualitätskriterien nicht erfüllen.
Lauterbach will, dass Häuser, die bestimmte Qualitätsstandards nicht erfüllen, für diese Eingriffe auch kein Geld bekommen. Die Länder sehen das kritisch und haben noch Gesprächsbedarf. Streit gibt es auch darüber, ab wann die Länder die Reform umsetzen müssen.
Ampel ist sich einig
So viel Gegenwind Lauterbach auch von den Ländern bekommt - die Ampelkoalition steht bei der geplanten Krankenhausreform so geschlossen da wie bei kaum einem anderen Thema. Wenn man sich dieser Tage mit Gesundheitspolitikerinnen und -politikern von FDP und Grünen unterhält, schwingt in deren Stimme mittlerweile Ärger mit. Von einer Blockadehaltung bei den Ländern ist da die Rede. Es müsse nun endlich vorangehen.
Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, ist klar, dass viele Krankenhäuser ohne eine Reform keine Überlebenschance haben. Deswegen müsse im Sommer ohne Pause weiter am Gesetz gearbeitet werden - mit dem Ziel "die richtigen Kliniken zu retten und für eine gute Versorgung zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sorgen", meint Dahmen.
Droht ein Kliniksterben?
Fachleute sind sich weitgehend einig, dass eine Krankenhausreform nötig ist - auch, um Personal künftig effizienter an weniger Klinikstandorten zu bündeln. Es gibt weniger Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte, zugleich aber immer mehr ältere Menschen. Ohne eine Reform könnte das System an seine Grenzen stoßen, sagt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Er berät die Regierung als Mitglied der Krankenhauskommission. Seine größte Sorge ist die "totale Verwässerung der Reform" mit zu vielen Ausnahmeregelungen.
Karagiannidis spricht von einem "goldenen Moment": Jetzt bestehe noch die Chance, die Kliniklandschaft so zu strukturieren, dass Patientinnen und Patienten gut versorgt würden. Ansonsten drohten Leistungskürzungen, insbesondere, weil sich der Personalmangel aufgrund des demographischen Wandels nicht mehr aufhalten ließe.
Schon jetzt ist klar, dass nicht alle Kliniken die nächsten Jahre überleben werden - ob mit oder ohne Reform. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft geht davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren ungefähr jede fünfte Klinik mit anderen zusammengelegt, umgestaltet oder geschlossen werden muss.
Die Frage ist also: Gelingt eine Reform, mit der die Krankenhauslandschaft gezielt umgebaut wird, oder kommt es zu einem unkontrollierten Kliniksterben? Gesundheitsminister Lauterbach hat viele Argumente auf seiner Seite, um eine Reform auf den Weg zu bringen. Nun muss er nur noch die Länder überzeugen. Angesichts der vielen Streitpunkte dürfte es keine sehr amüsante Bund-Länder-Runde im Gesundheitsministerium werden.