Landtagswahl Rheinland-Pfalz Dreyer soll's wieder richten
Rheinland-Pfalz ist schon lange kein Helmut-Kohl-Land mehr. Seit 30 Jahren regiert hier die SPD. Ein erneuter Sieg von Ministerpräsidentin Dreyer ist aber kein Selbstläufer.
Die Sonne strahlt über dem Proviantmagazin in Mainz. In der ehemaligen Festung hat die SPD-Rheinland-Pfalz ihre Landesgeschäftsstelle. Seit 30 Jahren ist das Bundesland SPD-Festung. Auf der Wiese davor steht - wie immer freundlich lachend - Spitzenkandidatin Malu Dreyer, umrahmt von drei riesigen Wahlplakaten. Darauf: die lächelnde Ministerpräsidentin. "Wir mit Ihr" ist der Slogan der Kampagne. Häufig steht nicht einmal ihr Name dabei. Und auch die Partei spielt - wenn überhaupt - eine untergeordnete Rolle.
Das Wahlkampfmagazin "Malu" verzichtet auf dem Titelblatt gleich ganz aufs SPD-Logo. Dafür gibt es ein Interview mit Schauspielerin Iris Berben. Aus "Malus Wohnzimmer-Studio" wird der digitale Wahlkampf gestreamt. "Es geht am 14. März nicht um die Frage, wähle ich die CDU oder irgendeine andere Partei. Es geht darum: Wer wird Regierungschef oder Regierungschefin dieses Landes?", spitzt Dreyer weiter zu. Gastauftritte von SPD-Bundespolitikern waren im Wahlkampf bislang rar, Dreyer braucht sie aber auch nicht.
Amtsbonus und Corona: Malu Dreyer profitiert vom Image der Krisenmanagerin
Corona statt Landespolitik
Für die CDU und ihren Spitzenkandidaten Christian Baldauf ist die Situation schwierig. Frontalangriffe auf die beliebte Ministerpräsidentin sind keine Option. Durch die Corona-Krise ist die Juristin Dreyer, einst kommissarische SPD-Bundesvorsitzende, noch präsenter.
Und selbst aus Fehltritten der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP lässt sich kaum Kapital schlagen. Der Rücktritt der grünen Umweltministerin Ulrike Höfken nach einem Beförderungsskandal, Missmanagement am Regionalflughafen Hahn, der Fraktionsausschluss einer FDP-Abgeordneten und der Verwaltungsgerichtshof im Land urteilte: Der kommunale Finanzausgleich ist verfassungswidrig. Geklagt hatten die klammen Städte Pirmasens und Kaiserslautern. In anderen Zeiten ein gefundenes Fressen für jede Opposition, doch in der Corona-Krise? Eher Themen unter ferner liefen.
Ampelkoaliton: "Besser als befürchtet"
Die Ampelkoalition arbeitete meist geräuschlos. "Es lief besser, als manche befürchtet hatten im Vorfeld. Sie sind gut miteinander ausgekommen", bilanzierte auch Politologe Uwe Jun von der Uni Trier im SWR. Auch weil Dreyer den Koalitionspartnern trotz weniger Wählerstimmen jeweils zwei Ministerposten gönnte.
Grün und Gelb konnten Projekte für sich verbuchen: die FDP ein Nahverkehrskonzept, die Grünen den Ausbau erneuerbarer Energien. Die SPD in Rheinland-Pfalz hat ihr Leib- und Magenthema Bildung: beispielsweise ein Kitagesetz mit sieben Stunden durchgehendem Betreuungsanspruch, inklusive warmem Mittagessen. In der Corona-Krise sind Kitas im Land bis heute im Regelbetrieb. Wenn die Mehrheitsverhältnisse es zulassen, spricht vieles für die Fortsetzung der Ampelkoalition.
CDU nicht abgeschrieben
Doch die Krise führte ebenso die mangelnde digitale Ausstattung der Schulen vor Augen, auch in Rheinland-Pfalz. Schule und Digitalisierung - das sind Corona-Themen, mit denen sich Wahlkampf machen lässt. CDU-Spitzenkandidat Baldauf weiß das: "Da ist die jordanische Wüste besser mit Mobilfunkmasten ausgestattet", zitiert ihn das Online-Portal "web.de" Ende Februar, und auch beim CDU-Neujahrsempfang eines Kreisverbands fällt dieser Satz sinngemäß.
Abschreiben sollte man die CDU und Baldauf jedenfalls nicht. Auch wenn er im direkten Vergleich mit Dreyer deutlich schlechter abschneidet und ihn viele Menschen in Rheinland-Pfalz nicht kennen. In der jüngsten ARD-Vorwahlumfrage liegt die SPD zwar bei 30 Prozent. Doch die CDU ist mit 28 Prozent nur knapp dahinter.
Eine der wenigen Hoffnungsschimmer
Und das Flächenland Rheinland-Pfalz ist ohnehin konservativ geprägt. Die vergangenen Kommunal- und Bundestagswahlen gewann die CDU deutlich im einstigen Helmut-Kohl-Land. Auf Landesebene aber zerlegte sich die CDU mit der Demontage von Bernhard Vogel vor mehr als 30 Jahren einst selbst. Die SPD übernahm erst mit Rudolf Scharping die Macht, auf den die Ära Kurt Beck folgte. Die Machtübergabe 2013 an Dreyer war dessen letzter großer Coup.
Seither zeigt die an Multipler Sklerose erkrankte Dreyer, dass sich ein politisches Spitzenamt und eine chronische Erkrankung nicht ausschließen. Und die dienstälteste rote Ministerpräsidentin beweist, dass die SPD noch Wahlen gewinnen kann. Damit ist Dreyer für die Sozialdemokratie in Deutschland einer der wenigen Hoffnungsschimmer.
Ampel als Modell für den Bund?
Auch wenn die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz mehr mit "Malu" und weniger mit der eigenen Partei werben, sie leisten gerade Pionierarbeit für den anstehenden Bundestagswahlkampf. Nicht nur in Sachen digitaler Wahlkampf. In Corona-Zeiten ohne Partei-Massenveranstaltungen gewinnt auch der klassische Plakat- und Flyerwahlkampf wieder an Bedeutung.
Kanzlerkandidat Olaf Scholz schaut sich das alles sehr genau an. Ein Wahlsieg Dreyers wäre im anstehenden Bundestagswahlkampf auch für ihn enorm wichtig. Eine zweite Mainzer Ampel wäre für Scholz auch ein Zeichen für den Bund. Frei nach dem Motto: Seht die Signale.