Beschaffungsamt der Bundeswehr Schaffen die das?
Für die Bundeswehr ist es ein neues Gefühl: Es soll Milliarden Euro für neue Ausrüstung geben. Doch die Behörde, die das alles beschaffen soll, gilt weder als schnell noch als effizient. Kann das gut gehen?
Schon der Name klingt kompliziert: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr - kurz BAAINBw. Allein im Hauptsitz in Koblenz gibt es 6500 Stellen. Insgesamt arbeiten beim Beschaffungsamt, so der umgangssprachlichere Name, 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 116 Dienstorten. Sie sind dafür zuständig, die Bundeswehr mit modernem Gerät auszustatten und dieses zu wirtschaftlichen Bedingungen zu erwerben.
Zu den Aufgaben gehört auch, alles vor der Anschaffung zu testen. Von der Feldflasche bis zum Schützenpanzer. Nach eigenen Angaben hat das BAAINBw derzeit 1500 laufende Neu-Beschaffungsprojekte zu bewältigen.
Komplizierte Prozesse
Das BAAINBw ist ein wichtiges Glied in der Beschaffungskette. Grob skizzenhaft dargestellt läuft es so: Die Truppe will etwas oder etwas ist kaputt. Behörden - hier kommt auch noch das Planungsamt der Bundeswehr ins Spiel - prüfen, ob die Truppe sich selbst helfen kann. Ansonsten erstellen Soldatinnen und Soldaten gemeinsam mit der Verwaltung einen Katalog mit bestimmten Anforderungen.
Der wird von oben abgenickt - oft tatsächlich vom Generalinspekteur der Bundeswehr selbst. Dann übersetzen im BAAINBw die Beschaffer den Katalog in technische Leistungsbeschreibungen. Diese werden wieder abgesegnet. Vor dem Einkauf steht oft eine europaweite Ausschreibung. Und nach dem Einkauf nicht selten ein juristisches Nachspiel. Zum Beispiel läuft noch ein Rechtsstreit um die Nachfolge des Sturmgewehrs G36. In diesen Tagen soll ein Urteil vorm Oberlandesgericht Düsseldorf fallen, der Bieterwettbewerb begann 2017.
"Zu lange, zu teuer, funktioniert nicht"
"Es dauert extrem lange, es wird viel teurer als geplant, und es kommt sozusagen in der Regel auch so an, dass es noch nicht so funktioniert wie gewünscht", kritisiert Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München den Prozess. Er fordert auch in der Bundeswehr-Verwaltung einen Mentalitätswandel. "Wir müssen endlich zu schnelleren, pragmatischeren Lösungen kommen, statt nur dieses ewige Entscheidungs-Vermeidung-Spiel zu spielen."
Aus seiner Sicht sind zu viele Stellen an Entscheidungen beteiligt. "Und am Ende, wenn was schiefgehen sollte, ist niemand mehr so richtig verantwortlich. Das kann nicht sein. Es muss auch Verantwortungsdelegation nach unten geben." Und da sieht er - wie viele andere Experten - auch das Beschaffungsamt in der Pflicht. Gerade jetzt, wenn bald zusätzliche Milliarden in die Rüstungsindustrie fließen. Das BAAINBw äußert sich mit Verweis auf den laufenden Prozess derzeit nicht zum geplanten Sondervermögen für die Bundeswehr.
Die Behörde verteidigt sich
Gegen Kritik am Amt wehrt sich der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr. Nicht nur das Vergaberecht verhindere schnelle Prozesse: "Die Unzuverlässigkeit der Rüstungsindustrie, die mangelnde Planung, die fehlenden Haushaltsmittel, die ständige Einflussnahme durch Lobbyisten und die fehlende strategische Lenkung aus dem Ministerium spielen dabei ebenfalls eine erhebliche Rolle." Nach Angaben des Beschaffungsamts sind in Koblenz derzeit 1000 Stellen unbesetzt. Doch viele halten die Behörde ohnehin für zu groß.
Reformen bislang stets gescheitert
Der Ruf nach Reformen im Amt, vor allem bei den Beschaffungsprozessen selbst, sind nicht neu. Eine Strukturkommission verlangte sie bereits vor zehn Jahren. Die von vielen Beobachtern als gut beschriebenen Ansätze von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen externe Berater einzusetzen, scheiterten. Die jährlichen Mahnungen im Wehrbericht, wie gerade von der Wehrbeauftragten Eva Högl, brachten meist nur kleinere Veränderungen.
Lambrecht sucht Lösungen
Der Krieg in der Ukraine scheint das nun zu beschleunigen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat angekündigt, stärker Ausnahmeregeln im Vergaberecht zu nutzen, um nicht mehr europaweit ausschreiben zu müssen. Experten halten das aber nur temporär, im Ausnahmefall für möglich.
Und die Ministerin will, dass Anschaffungen für die Truppe erst ab einem Wert von 5000 Euro über das Beschaffungsamt laufen. Bisher war die Grenze bei 1000 Euro. Laut Ministerin betreffe das jeden fünften Auftrag. "Das heißt, dass ich für über 20 Prozent solcher Aufträge nicht mehr ein sehr bürokratisches Vergabeverfahren brauche", so Christine Lambrecht im Deutschlandfunk.
Zeitenwende in den Köpfen
"Vieles ist möglich, wenn nur der politische Wille da ist", sagt Sauer. Wichtiger als diese Stellschrauben sind für ihn aber grundlegende Veränderungen. "Die Zeitenwende ist rhetorisch ausgerufen und das Geld ist auch veranschlagt. Jetzt muss man es umsetzen, und das bedeutet Umdenken."