Kulturbevollmächtigter der Länder Ein Hauch von Grandezza am Rhein
Außenpolitik wird gemeinhin in Berlin gemacht. Ein bisschen möchten aber auch hier die Länder mitmischen. Dafür eignet sich etwa das Amt des Kulturbevollmächtigten. Manch einer gefällt sich sehr in der Rolle.
Armin Laschet war in seinem politischen Leben schon so einiges: Kanzlerkandidat, Ministerpräsident, Minister. Er war CDU-Vorsitzender, Fraktionsvorsitzender, Abgeordneter. Das alles war er mit mehr oder weniger Erfolg, mit mehr oder weniger Passion.
Ein Amt allerdings hat Laschet mit Leib und Seele ausgeübt. Und wenn man ihm dieser Tage so zuhört, hat man das Gefühl, er hat es immer noch, auch wenn offiziell längst Hendrik Wüst den Titel trägt.
Es geht um das Amt des Kulturbevollmächtigten der Länder. Das ist in etwa so bekannt wie der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Es muss also erklärt werden.
Kultur ist Ländersache
Im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist eigentlich kaum etwas so klar geregelt wie die Außenpolitik: Die ist Sache des Bundes. Aber im deutschen Föderalismus ist keine Regel so erhaben, dass sie nicht doch durch eine Ausnahme bestätigt würde, in diesem Fall durch die Kultur- und Bildungspolitik. Die ist innerhalb der Bundesrepublik Sache der Länder, weswegen es einen "Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit" gibt.
Den gibt es seit 1963 - dem Jahr, in dem zwischen Frankreich und der noch jungen Bundesrepublik der Elysée-Vertrag geschlossen wurde. Ein Meilenstein für beide Länder und die Aussöhnung nach dem Krieg.
Der Vertrag regelt auch, dass der Kulturbevollmächtigte im Namen der deutschen Länder die Belange von Kultur und Bildung vertritt. Will die Regierung in Paris über diese Themen mit dem Nachbarn sprechen, muss sie nicht in Berlin, sondern in einer deutschen Landeshauptstadt anrufen. Noch bis Jahresende ist das Düsseldorf.
Ein Brand, ein Tweet und die Folgen
Es kann sein, dass auch diese Zeilen nicht geschrieben würden, hätte es nicht den 15. April 2019 gegeben. An diesem Tag brannte mitten in Paris, auf der Île de la Cité, eines der berühmtesten Bauwerke Europas: die Kathedrale Notre-Dame.
Laschet sah die Live-Bilder bei CNN. Nur im deutschen Fernsehen sah er nichts. Dieser Ärger musste raus. Laschet, seit Anfang 2019 Kulturbevollmächtigter der Länder, machte sich auf Twitter Luft:
Laschet beließ es nicht bei der Schelte. Er organisierte Spenden, nach Angaben der Staatskanzlei kamen etwa 500.000 Euro zusammen. Da diese Aktion mit viel hemdsärmeliger Improvisationskunst einherging, gab es auch Kritik. Aber eins hatte Laschet erreicht: Er hatte das Amt des Kulturbevollmächtigen aus dem Dornröschenschlaf erweckt.
Kirchenfenster als Freundschaftsbeweis
Dreieinhalb Jahre später, Ende Oktober, freute sich Laschet sichtlich, als er im Beisein des amtierenden Kulturbevollmächtigten, seinem Nachfolger Wüst, die ersten restaurierten Kirchenfenster aus Paris präsentieren konnte. Bezahlt mit eben jenen Spendengeldern.
"Notre-Dame ist für uns hier im Rheinland näher als das Brandenburger Tor", so Laschet. Der französische Botschafter war auch dabei. Gelebte deutsch-französische Freundschaft, wie alle nicht müde wurden zu betonen.
Das war zu diesem Zeitpunkt auch deswegen mehr als ein pflichtschuldiges Bekenntnis, weil im deutsch-französischen Verhältnis zwischen der Berliner Ampel und der Macron-Regierung in Paris gerade der Haussegen mächtig schiefhing. Die Grenzen zwischen Landes- und Außenpolitik sind manchmal fließend.
In staatsmännischer Pose vor großer Kulisse
Die vier Jahre Kulturbevollmächtigter brachten etliche Dienstreisen nach Paris, ob zur Kathedrale oder in den Präsidentenpalast. Erst Laschet, dann Nachfolger Wüst, beide nutzen die Termine für Fotos in staatsmännischer Pose vor großer Kulisse. Eigentlich machen Ministerpräsidenten keine Außenpolitik, aber manchmal dann doch.
Beziehungen mit Partnerregionen wie etwa Haut-de-France in Frankreich, dem polnischen Schlesien oder Sichuan in China werden seit längerem von Nordrhein-Westfalen gepflegt, unabhängig davon, wer gerade in der Staatskanzlei residiert. Dabei heißt es oft, das sei Regionalpolitik und habe mit Nebenaußenpolitik durch die Länder nichts zu tun. Mit dem Amt des Kulturbevollmächtigen dagegen ist es anders. Hier gibt es ein offizielles Mandat.
Neuer Schwung und die Arbeit von vier Jahren
Vier Jahre trieb ein Team um den engagierten Büroleiter Dominik Fanatico deutsch-französische Angelegenheiten voran. So ist man in NRW stolz darauf, den deutsch-französischen Grundschullehreraustausch, der vor dem Aus stand, gerettet zu haben. Von der Anerkennung beruflicher Abschlüsse über ein deutsch-französisches Schulbuch bis zum 200. Offenbachjubiläum in der Berliner Philharmonie ist es eine breite Palette, mit der die beiderseitigen Beziehungen gehegt und gepflegt werden sollen.
Vor allem hatte sich Nordrhein-Westfalen auf die Fahnen geschrieben, in die Beziehungen mit dem wichtigsten Nachbarland der Bundesrepublik wieder neuen Schwung zu bringen. Denn seit Jahren lässt sich in beiden Ländern beobachten, dass das einst so gefeierte Verhältnis erlahmt: Ob Städtepartnerschaften, Jugendaustausch oder das Interesse am Erlernen der jeweiligen Fremdsprache - es könnte besser sein.
Stabwechsel nach Rangelei
Wüst ist nun seit etwa einem ein Jahr Kulturbevollmächtigter. Er geht zwar mit etwas mehr westfälischer Nüchternheit zu Werke, die unter Laschet angestoßenen Projekte ließ er aber alle fortführen. Für NRW-Ministerpräsidenten ist europäisches Engagement eben Ehrensache, egal mit welchem Parteibuch. "Wir haben die Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs vertieft", so Wüst. Er sprach von "einem eindrucksvollen und erfolgreichen Mandat".
Ende des Jahres geht das Amt an Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin des Saarlandes. Die feierliche Übergabe fand am Donnerstagabend in der Berliner Landesvertretung von NRW statt. Das Saarland, kleinstes deutsches Flächenland, grenzt an Frankreich. Zum guten Ton in Saarbrücken gehört es, sich selbst als halbe Franzosen zu geben.
Leer ausgegangen ist erneut der Grüne Winfried Kretschmann, Regierungschef von Baden-Württemberg, der es auch gern geworden wäre. Am Ende konnte sich Rehlinger aber mit der Hausmacht der SPD-Ministerpräsidenten durchsetzen. Was aus den Initiativen aus Nordrhein-Westfalen wird, hängt jetzt auch an ihr. Was in jedem Fall bleibt, ist die Erinnerung an einen Hauch von außenpolitischer Grandezza am Rhein.