Kraftwerksstrategie Deutlich kleiner als ursprünglich geplant
Die Bundesregierung hat sich nach langem Ringen auf einen Kompromiss zum Bau neuer Kraftwerke verständigt. Die Kraftwerksstrategie sieht zunächst den Bau von bis zu zehn Gigawatt an wasserstofffähigen Gaskraftwerken vor.
Dass Wirtschaftsminister Robert Habeck große Hoffnungen in klimafreundlichen Wasserstoff setzt, hat er zuletzt immer wieder klar gemacht. Heute in Bremen: Da soll der Umbau des großen Stahlwerks von Arcelor Mittal zukünftig mit staatlichen Mitteln gefördert werden - alte Hochöfen raus, Anlagen für grünen Wasserstoff zur Stahlproduktion rein.
Habeck überbringt die Botschaft vor Ort, obwohl die EU in Brüssel das Ganze noch in einem letzten Schritt absegnen muss. "Heute ist ein Grund, einen Haken zu machen", ruft der Grünen-Politiker den Stahlarbeitern zuversichtlich entgegen.
Große Hoffnungen setzt Habeck auch auf klimafreundlichen Wasserstoff in der Stromproduktion. Es geht um die Frage, wie der deutsche Kraftwerkspark zukünftig aussehen soll. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, dass im Jahr 2030 mindestens 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammt - vor allem aus Windkraft- und Solaranlagen.
Es braucht aber auch andere Kraftwerke. Zum einen, um die verbleibende Lücke zu füllen, zum anderen, weil die Stromerzeugung aus Wind und Sonne stark schwankt - je nach Wetterlage.
Habeck ist trotz allem zufrieden
Vergangenes Jahr kam noch gut ein Viertel des hiesigen Stroms aus Kohlekraftwerken. Diese will die Bundesregierung aber möglichst bis 2030 abschalten. Also braucht es andere Lösungen.
Im letzten August hatte Habeck ein Rahmenkonzept vorgelegt. Mit großen Zahlen: Knapp 25 Gigawatt an Kraftwerkskapazität sollten ausgeschrieben werden - das wären rund 50 Kraftwerksblöcke. Darunter auch reine Wasserstoffkraftwerke, vor allem aber Erdgaskraftwerke, die bis 2035 auf Wasserstoff umgestellt werden sollten. Die Energiebranche kalkulierte mit rund 40 Milliarden Euro, die zum großen Teil über staatliche Förderung aufgebracht werden sollten.
Zu teuer, befand insbesondere Finanzminister Christian Lindner. Und innerhalb der Ampelkoalition wurde wieder einmal hart gerungen. Nun stehen die Grundzüge des Konzepts, auf das sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner jetzt verständigt haben: Zunächst soll der Bau von zehn Gigawatt an Kraftwerken ausgeschrieben werden.
Zehn Gigawatt entsprechen etwa 20 Kraftwerksblöcken. Es soll also deutlich kleiner starten als von Habeck mal geplant. Der gibt sich in Bremen trotzdem zufrieden. "Wir kommen jetzt wirklich voran. Wir schließen eine der letzten Lücken im Energiesystem", so Habeck. Er spricht von einem "bedeutsamen Schritt".
Der Umbau kostet viel Geld
Die Branche begrüßt die Verständigung und ist froh, dass es nun Eckpunkte für die lange erwartete Strategie gibt. RWE will sich an den ersten Ausschreibungen für Kraftwerke beteiligen, Uniper auch. Charlie Grüneberg vom Branchenverband Zukunft Gas nennt es gut, dass endlich etwas vorankomme. "Aber um die Versorgung dauerhaft zu sichern und um im Zeitplan des Kohleausstiegs zu bleiben, sind weitere Schritte nötig", so Grüneberg.
Allerdings kostet der Umbau viel Geld. Grüner Wasserstoff ist deutlich teurer als Erdgas und derzeit kaum verfügbar. Auch wasserstofffähige Kraftwerke sind noch nicht umfangreich erprobt.
Für den Umstieg von Erdgas auf klimafreundlichen Wasserstoff will das Konzept daher auch mehr Zeit einräumen. Als Zieldatum wird nun statt 2035 spätestens das Jahr 2040 genannt. Vieles sei derzeit noch nicht genau planbar, heißt es aus Koalitionskreisen.
Auch bei der Finanzierung gibt es noch viele offene Fragen. Die Kraftwerksbetreiber sollen zukünftig aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) gefördert werden und Geld dafür bekommen, dass sie Kraftwerke vorhalten, die vor allem bei sogenannten Dunkelflauten laufen würden. Ohne Subventionen ließen sich diese Kraftwerke nicht wirtschaftlich betreiben, so die Energiewirtschaft. In Regierungskreisen rechnet man derzeit mit einem Förderbedarf von 15 bis 20 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren.
FDP drängt auf Technologieoffenheit
Wie genau die Förderung aussehen soll, muss aber noch geklärt werden. Bis zum Sommer will sich die Bundesregierung darüber verständigen, wie ein sogenannter Kapazitätsmechanismus aussehen könnte, welche Förderung es für den Bau von Kraftwerken gibt und wie viel für den Betrieb beziehungsweise das Vorhalten der Kapazität.
Die FDP drängt dabei auf Technologieoffenheit: Gefördert werden soll auch die Abscheidung und Speicherung von CO2, sogar die Unterstützung der Entwicklung von Kernfusion wird genannt. Das dürfte noch für Diskussionen vor allem mit Umweltgruppen aber auch zwischen den Koalitionsfraktionen sorgen.
Und da es insgesamt um umfangreiche Staatshilfen geht, muss am Ende auch die EU-Kommission zustimmen. Branchenexperten rechnen mit einem langwierigen Verfahren, auch wenn es in der Sache schon viele Vorgespräche gegeben hat.
Deutliche Kritik kommt von der Union. Andreas Jung, der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion spricht von einer Hängepartie, die weitergehe. "Es sind alle wichtigen Fragen offen. Wir wissen nicht, was es kosten wird und wo das Geld herkommt."
Finanzielle Ausstattung des KTF bleibt ungeklärt
Tatsächlich können aus dem KTF schon jetzt absehbar deutlich weniger Projekte finanziert werden, seit dem Fonds nach dem Karlsruher Haushaltsurteil Milliardenbeträge gestrichen wurden. Die zukünftige finanzielle Ausstattung des KTF ist innerhalb der Koalition bislang ungeklärt.
Kritik kommt auch von der Deutschen Umwelthilfe. Aus ihrer Sicht setzt die Bundesregierung zu sehr auf den Neubau klimaschädlicher Gaskraftwerke. Zumal unklar sei, wann diese tatsächlich auf klimafreundlichen Wasserstoff umgerüstet werden können.
Zumindest aus Sicht von Wirtschaftsminister Habeck ist klar, dass man jetzt nicht beim klimagerechten Umbau des Stromsektors zaudern dürfe, wie er in Bremen heute deutlich macht: "Wer wären wir, wenn wir nicht daran glauben, dass das alles gelingen kann?" Habecks Hoffnungen in klimafreundlichen Wasserstoff sind dabei groß.