Änderung des Klimaschutzgesetzes Wissing kann sich nicht zurücklehnen
Die Ampel hat sich auf ein neues Klimaschutzgesetz geeinigt. Sie nimmt Abschied von Sektorenzielen, dafür zählt die Gesamtbilanz beim CO2-Ausstoß. Was heißt das für die Klimaziele? Und was für den Verkehrsminister?
Bundesweite Fahrverbote und das an gleich zwei Tagen in der Woche - mit dieser Drohkulisse meldet sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing Ende letzter Woche zu Wort. Dass es der FDP-Mann damit tatsächlich ernst meint, davon ist nicht auszugehen. Schließlich gilt Wissing nicht gerade als Freund von Einschränkungen im individualisierten Straßenverkehr. Sein kategorisches Nein zum generellen Tempolimit auf Autobahnen ist da nur ein Beispiel. Stattdessen wollte der Minister wohl noch einmal einen Punkt in den Verhandlungen zum Klimaschutzgesetz machen.
Auf eine Änderung des 2019 in der Großen Koalition mühsam ausgehandelten Gesetzes verständigten sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Dort heißt es: "Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen." Also auch das bisherige Problemkind in Sachen Klimaschutz, der Verkehrssektor. Seit Jahren verfehlt dieser deutlich seine Klimaschutzziele - so auch im vergangenen Jahr.
Expertenrat: Große Lücke im Verkehrssektor
Das bestätigt auch der Expertenrat für Klimafragen in seinem diesjährigen Prüfbericht. Die Lücke im Verkehrssektor sei mittlerweile sogar so groß, dass "man mit einer Maßnahme immer nur ein bisschen was erreicht", sagt die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrates, Brigitte Knopf. Das Erreichen der Klimaschutzziele ist aus ihrer Sicht schon jetzt ambitioniert, weshalb es eigentlich ein "erweitertes Maßnahmenpaket" allein für den Verkehrssektor bräuchte. Doch derzeit werde weder um Einzelmaßnahmen noch um ein größeres Paket ernsthaft gestritten, erklärt Knopf.
Doch ob es dazu in absehbarer Zeit kommt, ist fraglich. Insbesondere, nachdem die Ampelfraktionen nun den Weg für eine Änderung des Klimaschutzgesetzes geebnet haben. Bislang werden Klimaschutzziele für jeden einzelnen Sektor festgelegt - also jeweils für Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Verfehlt einer dieser Sektoren seine Ziele, muss innerhalb weniger Monate ein Sofortprogramm aufgelegt werden.
Es ginge mehr beim Verkehr
Neben den von Wissing nicht ernsthaft ins Feld geführten Fahrverboten kommen im Bereich Verkehr auch andere unpopuläre Maßnahmen wie Tempolimits in Betracht. Zwar weist der Minister zurecht darauf hin, dass Klimaschutz im Verkehrssektor besonders herausfordernd ist. Immerhin werden hier etwa 20 Prozent des CO2-Ausstoßes produziert. Zudem lassen sich nicht alle alten Autos von heute auf morgen austauschen.
Doch gegensteuern ließe sich auch mit deutlich milderen Mitteln. So kann auch der Hochlauf der E-Auto-Mobilität, der Ausbau der Ladeinfrastruktur, eine Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs und nicht zuletzt der Ausbau von Radwegen zu CO2-Einsparungen führen.
Bilanzausgleich statt Sofortprogramme
Derartige Sofortprogramme sind im geänderten Klimaschutzgesetz aber nicht mehr vorgeschrieben. Stattdessen soll es eine sektorübergreifende, mehrjährige Gesamtabrechnung geben. Das bedeutet: Stößt der Verkehr auch künftig zu viele schädliche Klimagase aus, kann dies durch eine höhere Einsparung zum Beispiel bei der Stromerzeugung ausgeglichen werden.
Zudem sollen zusätzliche Maßnahmen erst nötig werden, wenn die Gesamtbilanz aller Sektoren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht stimmt.
Vor allem diese Änderung wird von zahlreiche Umweltverbänden scharf kritisiert. Dass es dadurch künftig aber geteilte Verantwortungslosigkeit statt Verbindlichkeit und Zuständigkeit gebe, wie es BUND-Chef Olaf Bandt meint, ist nicht der Fall. Schließlich bleiben die Klimaschutzziele bestehen. Die Bundesregierung hat weiterhin die Gesamtverantwortung für deren Einhaltung. Allerdings erhält sie nun deutlich mehr Flexibilität beim Nachsteuern.
Mehr Verbindlichkeit bis 2040?
Letztlich soll das geänderte Klimaschutzgesetz aber vor allem mehr Verbindlichkeit für den Zeitraum zwischen 2030 und 2040 bringen. Ein Punkt, der insbesondere von den Grünen betont wird.
Dabei war auch schon in der derzeitigen Fassung nicht nur das Ziel für 2030 geregelt, die Emissionen insgesamt um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Auch das 88-Prozent-Minderungsziel für 2040 findet sich dort.
Neu ist nun jedoch, dass die Bundesregierung dazu verpflichtet wird, auch für die Jahre 2031 bis 2040 konkrete Klimaschutzmaßnahmen zu erlassen. Zudem muss jede neue Regierung innerhalb der ersten zwölf Monate ihrer Amtszeit ein Klimaschutzprogramm beschließen. Die Ampelkoalition bindet damit auch ihre Nachfolger - die allerdings das Gesetz auch wieder ändern können.
Druck von der EU
Der Druck kommt künftig aber wohl vor allem von anderer Stelle. So haben sich die EU-Staaten Ende des vergangenen Jahres darauf geeinigt, den CO2-Emissionshandel von 2027 an deutlich auszuweiten. Neben dem Industrie- und Energiesektor gelten künftig auch für die Bereiche Verkehr und Gebäude Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen.
Für Klimasünder wird es damit teuer, denn zum einen müssen Unternehmen Verschmutzungsrechte kaufen, um Treibhausgase überhaupt ausstoßen zu dürfen. Zum anderen drohen den Mitgliedsstaaten Strafen, wenn sie ihre Klimaschutzziele nicht erreichen. Dies gilt auch für einzelne Bereiche, wie etwa den Verkehrssektor.
Insofern kann sich ein deutscher Verkehrsminister - ob er nun Wissing oder anders heißt - auch künftig in Sachen Klimaschutz nicht zurücklehnen.