Insektenschutz per Gesetz Von Bienen, Bauern und Baumpflege
Monatelang wurde verhandelt - heute stimmt der Bundestag über mehr Insektenschutz ab. Landwirte beklagen zu starre Regeln, Naturschützer sind enttäuscht, aber in einem Punkt sind sich beide einig.
Tobias Diehl baut Mirabellen, Zwetschgen und Süßkirschen an - die roten Früchte werden gerade reif. Vor zehn Tagen hat er das letzte Mal gespritzt. "Das Obst kauft keiner, wenn da Würmer drin sind." Wenn er ans "Insektenschutzgesetz" denkt, gerät er in Fahrt. Um Insekten zu schützen, sollen die Landwirte künftig weniger Pflanzenschutzmittel und Unkrautvernichter spritzen - und in Naturschutzgebieten gar nicht mehr. Genau dort stehen aber die Bäume von Diehl, im Rheintal zwischen Mainz und Bingen.
Einigung im letzten Moment
Lange wurde um das Gesetzespaket gerungen, in dem das Naturschutzgesetz geändert und durch eine Verordnung zum Pflanzenschutz ergänzt wird. Erstmals wird der Insektenschutz damit in einem Bundesgesetz geregelt. Die beteiligten Ministerinnen - Julia Klöckner, CDU, und Svenja Schulze, SPD, einigten sich erst auf der Zielgeraden der Legislaturperiode auf das, was jetzt zur Abstimmung steht.
Eigentlich hätte das ganze schon vor zwei Wochen verabschiedet werden sollen, wurde dann aber kurzfristig von der Tagesordnung genommen - es gab noch Abstimmungsbedarf mit den Landesagrarministerinnen und -agrarministern.
Die Kernpunkte: Nach der Verordnung muss der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden in bestimmten Schutzgebieten und entlang der Randstreifen von Gewässern deutlich reduziert werden. Glyphosat, das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel, wird von 2024 an verboten. Das Naturschutzgesetz schreibt künftig vor, dass die sogenannte Lichtverschmutzung reduziert wird, beispielsweise sollen Straßenlaternen oder Leuchtreklamen so gestaltet werden, dass sie keine Insekten mehr anlocken, die dort verenden.
"Halbherziger Kompromiss"
Während die zuständigen Ministerinnen von einem guten Kompromiss sprechen, kritisieren Naturschutzverbände das Gesetz als zu lasch. "Es ist besser als nichts, aber die ursprünglichen Pläne wurden sehr verwässert", sagt Laura Breitkreuz, Insektenexpertin des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). "Bei den Gewässerrandstreifen sind nur große Wasserwege betroffen. Und bei der Landwirtschaft reden wir von einer wirklich kleinen Fläche - gerade mal 0,4 Prozent. Und es gibt etliche Ausnahmen."
ARD-Umweltexperte Werner Eckert findet, das Gesetz greife zu kurz, weil es nicht das eigentliche Problem bekämpfte: "Pestizide sind nicht das einzige Problem, viel wichtiger für den Insektenschutz ist die Vielfalt der Landschaft." In Monokulturen herrsche keine Artenvielfalt, es gebe immer weniger Feuchtwiesen oder artenreiche Magerwiesen, die von Insekten bevölkert werden.
Landwirte sehen sich als Sündenböcke
Die Bauernverbände bemängeln, dass das Thema Insektenschutz alleine auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werde. "Was ist denn mit der Flächenversiegelung durch Baugebiete und Straßen, auch das trägt doch zum Insektensterben bei", ärgert sich Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd.
Er begrüßt allerdings, dass die Neuregelungen für weniger Flächen gelten als ursprünglich angedacht: "Extrem wichtig war uns außerdem, dass betroffene Landwirte einen finanziellen Ausgleich bekommen." Damit sollen zusätzliche Kosten und Einkommensverluste ausgeglichen werden, die durch Einschränkungen entstehen. 65 Millionen Euro gibt der Bund von 2022 an dafür aus, die Länder stocken die Summe auf insgesamt 250 Millionen Euro auf.
Wichtig ist für ihn auch ein Punkt, der ganz neu in die Beschlussvorlage aufgenommen wurde. Danach dürfen die Länder abweichende Regelungen treffen, wenn es "landesspezifische Besonderheiten" gibt. Im konkreten Fall könnte das bedeuten, dass in Ausnahmefällen auch in Naturschutzgebieten weiterhin Pflanzenschutz zugelassen wird. Allerdings nur, wenn der Bundesrat am 25. Juni der Anwendungsverordnung ebenfalls zustimmt. Ob sich dafür eine Mehrheit findet, gilt als wenig wahrscheinlich.
Einigkeit bei Naturschutzgebieten
Obstbauer Diehl hofft, dass er seine Plantage auch künftig gegen Schädlinge spritzen kann. Nur so könne er Obstbau betreiben, sagt er. "Sonst nehme ich meine Kettensäge und fälle alle meine Bäume." Auch der NABU Rheinland-Pfalz unterstützt, dass in Naturschutzgebieten gespritzt wird, wenn dadurch der Obstbau erhalten bleibt. Dieser trage entscheidend zur Artenvielfalt bei.
Diehl ergänzt: "Als Obstbauer bin ich doch auf Insekten angewiesen. In der Blütezeit stehen hier im Gebiet 800 Bienenvölker. Und schon seit Jahren säen wir Blühflächen, um den Insekten auch nach der Obstblüte genügend Nahrung zu bieten". Und: Der 33-Jährige engagiert sich in einem Projekt, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Landwirte gemeinsam verschiedene Möglichkeiten des Vogel- und Insektenschutzes erforschen.