Nach Entlassung von Graichen Ampel streitet über Zeitplan für Heizungsgesetz
Wann kommt das umstrittene Heizungsgesetz? Nach der Entlassung von Staatssekretär Graichen tritt die FDP auf die Bremse. Vor der Sommerpause will sie das Gesetz nicht verabschieden - es gebe zu viele offene Fragen. SPD und Grüne reagieren ungehalten.
Erneut sorgt das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG) für heftigen Streit in der Ampelkoalition. Nach dem angekündigten Abgang von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen hat die FDP eine Debatte über den Zeitplan für das sogenannte Heizungsgesetz losgetreten.
Die Partei argumentiert, mit Graichen sei dem Parlament der Ansprechpartner für das Thema abhanden gekommen, deshalb sei mehr Zeit nötig. SPD und Grüne sehen aber keinen Zusammenhang zwischen beiden Sachverhalten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte gestern den Rückzug seines Staatssekretärs Graichen angekündigt, nachdem dieser in zwei Fällen Privates und Berufliches nicht ausreichend getrennt hatte. Graichen spielte eine zentrale Rolle bei der Energiewende.
"Fraktion hat noch rund 100 Fragen an Habeck"
Habeck strebt vor der am 7. Juli beginnenden parlamentarischen Sommerpause eine Verabschiedung des Gesetzes an. "Ich halte eine Verabschiedung vor der Sommerpause für ausgeschlossen", sagte dagegen FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Bild"-Zeitung. "Es ist nicht entscheidend, wann das GEG verabschiedet wird", sagte er. "Entscheidend ist, dass es ein gutes Gesetz wird, das niemanden überfordert und viele Technologien ermöglicht."
Der FDP-Generalsekretär kündigte einen Fragenkatalog an den Wirtschaftsminister an. "Die FDP-Fraktion hat noch rund 100 Fragen an Robert Habeck. Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen", erklärte er.
Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer unter 80 Jahre gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben werden, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Mit dem Gesetz soll der Abschied von Gas- und Ölheizungen eingeläutet werden.
Kühnert sieht keinen Grund für Aufschub
Von SPD und Grünen kommt Widerstand gegen die FDP-Forderung zum Aufschub beim Zeitplan. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte im ZDF-"heute journal" mit Blick auf den Abgang von Graichen: "Beide Sachverhalte haben nichts miteinander zu tun." Es gebe keine Klimaneutralität in Deutschland, ohne dass man an die Art des Heizens herangehe. An dieser Notwendigkeit habe sich nichts geändert.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sieht dies genauso. Wenn die FDP eine Verzögerung ankündige, dann, weil sie etwas verschieben wolle, sagte Dröge in der ARD-Sendung Maischberger. An dem Gesetz hätten viele Mitarbeiter von zwei Ministerien mitgewirkt. Zudem könnten Parlamente Gesetze selbst schreiben und bearbeiten.
Linkspartei und Union sehen Aufklärungsbedarf
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sieht durch die Fehler von Graichen auch Minister Habeck schwer beschädigt. "Je nachdem, was jetzt noch zu Tage gefördert wird, muss auch sein Verbleib im Amt zur Disposition gestellt werden", sagte sie der "Rheinischen Post". "Die Aufklärung muss weitergehen."
Auch die Union sieht noch Aufklärungsbedarf. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages will sich am Mittwoch mit weiteren offenen Fragen zur Politik des Wirtschaftsministeriums befassen. Das geht aus der Tagesordnung hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
Unter anderem soll es um "mögliche Interessenkonflikte in der Leitungsebene des BMWK bei der Industriepolitik, Außenwirtschaftspolitik, Digital- und Innovationspolitik und hier insbesondere bei der Start-up-Förderung" gehen.
Linnemann für Stopp von Heizungsgesetz
"Jetzt muss reiner Tisch gemacht werden. Das Heizungsaustauschgesetz muss zurück in die Werkstatt", sagte der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm. "Der Versuch, den unausgegorenen Habeck-Entwurf noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu peitschen, muss beendet werden."
Sein Unionskollege Carsten Linnemann geht in seiner Kritik sogar noch weiter. Habeck solle das Gesetz jetzt komplett stoppen, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Es gehe "völlig an der Realität vorbei".