SPD-Chef dringt auf Einigung Klingbeil will beim Heizungsgesetz nachbessern
SPD-Chef Klingbeil will den Zeitplan beim umstrittenen Heizungsgesetz halten - stellt aber Änderungen in Aussicht. Auch die Koalitionspartner sehen Nachbesserungsbedarf. Klimaforscher hingegen fordern einen kompletten Neustart.
Im Streit der Ampelkoalition um das neue Heizungsgesetz hat SPD-Chef Lars Klingbeil Änderungen in der geplanten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in Aussicht gestellt. Im Bericht aus Berlin räumte Klingbeil ein, dass das von der Ampelkoalition beschlossene sogenannte Heizungsgesetz vor der Verabschiedung im Parlament noch verbessert werden könnte.
Klingbeil: "Es wird noch mal Änderungen geben"
"Wir haben da als SPD eine klare Richtung: Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, die Bürgerinnen und Bürger brauchen Klarheit, was ab dem 1. Januar 2024 passiert", sagte Klingbeil. Man wolle noch einige Dinge in den Fokus rücken. Klingbeil nannte etwa den Schutz von Mietern, die Altersgrenze von 80 Jahren, soziale Staffelungen und kommunale Wärmenetze. Man könne auch über die Übergangsfristen reden. "Es wird noch mal Änderungen geben", so Klingbeil.
Der SPD-Chef sprach von einer "erhitzten Debatte", zu der die Politik beigetragen habe. "Die Unsicherheit ist groß", räumte Klingbeil ein. Man wolle dafür sorgen, dass sich niemand im Stich gelassen fühle: "Niemand wird zurückgelassen, alle werden mitgenommen."
Auch Grüne wollen Änderungen
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hatte zuvor vor einer Verschiebung des Gesetzes gewarnt, mit dem Öl- und Gasheizungen durch klimafreundliche Wärmequellen ersetzt werden sollen. Die Grünen-Politikerin mahnte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe ebenfalls Korrekturen an dem Entwurf an. So müsse es eine nach Einkommen gestaffelte Förderung für den Einbau einer klimafreundlichen Heizung geben. Niemand dürfe gezwungen werden, sein Haus zu verkaufen.
Auch für Mieter dürfe es keine großen Belastungen geben, sagte sie. "Deswegen wollen wir die neue Heizung bis zu 80 Prozent fördern - und nicht wie im aktuellen Entwurf vorgesehen nur zu maximal 50 Prozent." Weitere Ausnahmen von der Austauschpflicht lehnte die Grünen-Politikerin ab. Eine höhere Förderung für diejenigen, die es brauchen, sei besser als weitere Ausnahmen.
Göring-Eckardt klagte in dem Zusammenhang auch über mangelnde Unterstützung durch Bundeskanzler Olaf Scholz. "Einen Klimakanzler kann ich schwer erkennen", sagte sie. Wenn man als Regierung so ein Großprojekt anstoße, müsse man es auch gemeinsam tragen. Davon sei die Ampel weit entfernt, so die Politikerin.
Wissing fordert "sorgfältige Überarbeitung"
Beim Heizungsgesetz habe man gesehen, was es bedeute, "wenn man mit dem Kopf durch die Wand versucht, Klimaschutz zu betreiben" - man verliere die Bevölkerung dabei, so Verkehrsminister Volker Wissing ebenfalls im Bericht aus Berlin. Man müsse so vorgehen, dass die Menschen mitgenommen würden und brauche ihr Vertrauen, sagte der FDP-Politiker.
Er sei dafür, dass das Gesetz "sorgfältig überarbeitet wird", so Wissing. Zudem müsse die Kommunikation verbessert werden. Offensichtlich habe das bisherige Vorgehen zu einer "erheblichen Verärgerung" sowie Widerständen in der Bevölkerung geführt, das sei "das Schlimmste, was einem passieren kann". Die Menschen dürften nicht überfordert werden.
Scholz sieht keinen grundlegenden Änderungsbedarf
Bundeskanzler Olaf Scholz hält Nachbesserungen der Gesetzesvorlage zwar für denkbar, im Kern sollen aber keine großen Veränderungen mehr vorgenommen werden. Es werde nun im Bundestag geschaut, ob das Gesetz an der einen oder anderen Stelle noch präzisiert werden könne, sagte Scholz in einem Interview mit n-tv und RTL.
"Allerdings gehe ich davon aus, dass es in seiner Grundstruktur nicht verändert wird. Sondern es muss so sein, dass niemand wirtschaftlich und sozial überfordert wird." Dazu seien bereits viele Vorkehrungen getroffen worden. Es sei jetzt ein ganz normales parlamentarisches Verfahren, sagte er mit Blick auf mögliche Änderungen.
Die größte Oppositionsfraktion im Bundestag hält weiterhin nichts von den Ampelplänen. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte im Interview mit dem BR, seiner Ansicht nach gehe die Koalition das Heizungsgesetz überstürzt an. "Das ist ja so, als wenn sie sagen würden: Ab 1. Januar werden nur noch Elektroautos in Deutschland verkauft", so Spahn - ungeachtet dessen, ob etwa Infrastruktur dazu da sei oder man es sich leisten könne.
Klimaforscher für Neustart
Statt Nachbesserungen fordert das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung einen kompletten Neustart des Gesetzes. "Meine Empfehlung an die Ampel wäre es, kurz durchzuatmen, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen", sagte Institutsdirektor Ottmar Edenhofer der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Zugleich schlug er vor, sich auf den nationalen Emissionshandel zu fokussieren. Das sei klüger als die Verbots- und Gebotspolitik. Die Ampel habe sich beim Klimaschutz verheddert, sagte der Klima-Ökonom. "Dabei gäbe es einen einfachen, geradezu eleganten Weg hinaus aus dem Heizungsdilemma, und zwar über den nationalen Zertifikatehandel für Brennstoff-Emissionen."
Im sogenannten Brennstoffemissionshandelsgesetz ließe sich eine Obergrenze für Emissionen festlegen, die das Heizen mit Gas schrittweise, aber deutlich verteuern würde. Dabei könnte der Preisanstieg gedeckelt werden, um die Bürger vor Preisschocks zu schützen. Die Regierung habe mit dem Gesetz alle rechtlichen Möglichkeiten schon in der Hand, sagte Edenhofer. Er sei überzeugt, dass eine klare Kommunikation zum Heizen von der Bevölkerung akzeptiert würde. Die Regierung müsse den Leuten erklären, warum das Heizen mit Gas teurer werden muss, mit welchen Preisanstiegen zu rechnen ist und wer mit welchen Rückerstattungen vor den Preisanstiegen geschützt wird. Dann würden die Menschen von sich aus auf weniger CO2-intensive Heizungen umstellen, so der Klimaforscher.
Koalitionsstreit um Heizungsgesetz
Der vom Bundeskabinett bereits beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Das soll für alle Eigentümer bis zum Alter von 80 Jahren gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben, kaputte repariert werden. Der Umstieg soll laut Wirtschaftsministerium durch Förderung sozial abgefedert werden.
Die Grünen wollen das Gesetz möglichst schnell im Bundestag beschließen, aber die FDP bremst. Die SPD wiederum will schnell mit den Parlamentsberatungen beginnen, dann aber noch Änderungen vornehmen.
Mit Informationen von Mario Kubina, ARD-Hauptstadtstudio