Ampel ringt um Haushalt 2024 Zwischen Sparzwang und Zeitnot
Der Ampelkoalition fehlen Milliarden im Etat 2024 - und es fehlt Zeit, um in Ruhe nach Wegen aus der Haushaltskrise zu suchen. Forderungen und "rote Linien" verkomplizieren die Verhandlungen. Im Fokus: Bürgergeld und Schuldenbremse.
Viel Zeit haben die Ampel-Spitzen nicht mehr, um den Etat 2024 noch dieses Jahr fristgerecht auf die Beine zu stellen. Seit Tagen ringen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hinter verschlossenen Türen um Wege aus dem Milliardenloch im Haushalt. Lindner beziffert es auf 17 Milliarden Euro. Gelingt keine politische Grundsatzeinigung und kein Etat-Beschluss für 2024 noch in diesem Jahr, käme es im Januar und Februar zu einer vorläufigen Haushaltsführung. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Ein Szenario, das die Ampelkoalition verhindern will.
Es liegen einige Vorschläge zum Sparen auf dem Tisch - die zwischen SPD, Grünen und FDP kontrovers diskutiert werden.
FDP besteht auf Änderungen bei Bürgergeld
Als einen Sparbereich hatte Lindner das Soziale ausgemacht, darunter das Bürgergeld. Und da lässt die FDP nicht locker und verweist auf die inzwischen stark gesunkene Inflation. Die Liberalen bestehen trotz des Neins von Sozialminister Hubertus Heil auf Änderungen bei der geplanten Bürgergelderhöhung. Zum 1. Januar 2024 sollen die rund fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen. Auch aus der Union kamen Forderungen, die Erhöhung zu stoppen.
Die Berechnungsmethode komme noch aus Zeiten von Hartz IV - das sei längst überholt, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der "Bild"-Zeitung. Er hielte es für richtig, im Zuge der Beratungen über den Haushalt auch über die Berechnung des Bürgergelds zu sprechen. Denn es müsse genau geprüft werden, "ob mit der alten Berechnungsmethode das Lohnabstandsgebot gewahrt werden kann". Wer arbeite, müsse immer mehr Geld übrig haben als jemand, der das nicht tue.
Grüne: Keine Kürzungen beim Bürgergeld
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, hielt bei NDR Info dagegen: Es gäbe keine Pläne die Berechnungen zum Bürgergeld zu verändern. Das würde keinen Sinn ergeben. Die hohe Inflation in den Jahren 2022/2023 belastete insbesondere Menschen in Armut. Vor allem die Lebensmittelkosten seien gestiegen. Die Inflationsentwicklung müsse nachgeholt werden. Gerade Menschen, die Bürgergeld beziehen, bräuchten Unterstützung. Kürzungen seien hier nicht der richtige Weg.
Kindler betonte, man müsse vielmehr über die Reform der Schuldenbremse sprechen. "Wir sollten die Schuldenbremse nicht abschaffen, sondern sie im Gegenteil jetzt stärken und um eine Investitionsregel ergänzen."
CDU-Arbeitnehmerflügel: Keine Diskussion über Sozialabbau
Forderungen aus der Parteispitze nach der Kürzung von Sozialleistungen stoßen allerdings auch in Teilen der CDU auf Kritik. "Die Diskussionen über Sozialabbau müssen sofort beendet werden", sagte Christian Bäumler, stellvertretender Bundesvorsitzender des Arbeitnehmerflügels CDA, der "taz".
Die Forderung von Parteichef Friedrich Merz nach einer Aussetzung der Bürgergeld-Erhöhung verunsichere nur die Menschen und stabilisiere nicht die Wirtschaft. Das Problem sei nicht die Höhe des Bürgergeldes, sondern es seien die Gehälter im Niedriglohnsektor. Die CDA fordere deshalb eine Erhöhung des Mindestlohns auf 60 Prozent des Medianeinkommens auf momentan 14 Euro pro Stunde. Derzeit liegt er bei 12 Euro pro Stunde und soll zum 1. Januar auf 12,41 Euro steigen.
Bäumler zeigte sich zudem offen, einen neuen Rahmen für Investitionen im Bundeshaushalt zu schaffen. Die CDA diskutiere derzeit Strategien, wie sich dies realisieren ließe. "Wir können uns eine Ergänzung der Schuldenbremse etwa mit einem Sondervermögen Klimaschutz vorstellen", erläuterte Bäumler. "Spätestens 2025 brauchen wir Regelungen, die Investitionen in Deutschland ermöglichen."
SPD: Schuldenbremse aussetzen
SPD-Chefin Saskia Esken dringt weiter darauf, die Schuldenbremse für 2024 erneut auszusetzen. Sie argumentierte in der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" damit, dass aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine Deutschland auch weiterhin unmittelbare und mittelbare Kosten entstehen. Diese seien nicht ohne Weiteres aus dem normalen Haushalt zu stemmen. "Das erwartet die Verfassung von uns aber auch gar nicht. Auch die Ausnahme der Schuldenbremse ist Teil der Verfassung", betonte Esken.
Für das laufende Jahr soll die Schuldenbremse nochmals ausgesetzt werden, um zu verhindern, dass der Haushalt verfassungswidrig wird. Der Haushaltsausschuss des Bundestags will heute dazu Sachverständige befragen. Der Bundesrechnungshof äußerte im Vorfeld Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushalts.
Rote Linien der FDP
Die Verhandlungen innerhalb der Ampel sind auch deshalb kompliziert, weil die FDP "rote Linien" formuliert hat. "Die Schuldenbremse steht für 2024, und Steuererhöhungen wird es nicht geben", sagte der FDP-Haushaltsexperte Christoph Meyer der Nachrichtenagentur AFP. "Diese beiden Linien sind allseits bekannt und im Koalitionsvertrag verankert." Auch die Forderungen nach einer erneuten Aussetzung der Schuldenbremse für 2024 stoßen auf Kritik. "Man kann nicht beliebig eine Notlage konstruieren und die Staatsverschuldung erhöhen, nur weil sich der Staat bei den Ausgaben einschränken muss", sagte Meyer.
Wegen der Milliardenlöcher im Haushalt fürchten nun viele massive Kürzungen - etwa Klimaschützer, Kommunen und Polizisten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte für "wichtige Generationenaufgaben wie Klimaschutz und Infrastruktur" Ausnahmen von der Schuldenbremse. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor Einsparungen im Sicherheitsbereich.