Haushalt 2024 Woher die fehlenden Milliarden kommen sollen
Bürgergelderhöhung stoppen, klimaschädliche Subventionen abschaffen oder doch Steuern erhöhen? Die Ampelkoalition muss die Löcher im Haushalt stopfen. Hinter den Kulissen laufen die Verhandlungen auf Hochtouren. Wie es jetzt weitergeht.
Die Ampelkoalition steht in der Haushaltskrise unter hohem Entscheidungsdruck. Wenn der Bundeshaushalt 2024 noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, müssen sich SPD, FDP und Grüne angesichts von Milliardenlöchern bald auf den weiteren Kurs einigen.
Aktuell finden die Verhandlungen vor allem in einer Dreierrunde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) statt. Sie scheinen nun in die entscheidende Phase zu treten: Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck sagte eine ab heute Abend geplante Reise zur Weltklimakonferenz in Dubai und in die Region ab.
Habecks Anwesenheit in Berlin sei notwendig, um nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Gespräche über den Haushalt 2024 weiter voranzubringen, teilte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit. Dies sei auf Bitte von und in Absprache mit Bundeskanzler Scholz erfolgt.
Wo soll gespart werden?
FDP-Finanzminister Lindner hat drei großen Kostenblöcke genannt, mit dem sich die Ampel beschäftigen müsse: Sozialausgaben, internationale Finanzhilfen sowie nicht näher spezifizierte Förderprogramme.
Für Soziales setze der Bund aktuell 45 Prozent seiner Ausgaben ein, so Lindner: "Da werden wir schauen, wie man treffsicherer werden kann." Es gehe beispielsweise darum, Menschen schneller in Arbeit zu bringen. Das nutze den Menschen und auch dem Bundeshaushalt. Kürzungen bei der Bundeswehr soll es laut Lindner angesichts der veränderten Bedrohungslage seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht geben.
Die Grünen haben sich hingegen für den Abbau klimaschädlicher Subventionen ausgesprochen. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND): "Das sind Subventionen, von denen vor allem Menschen mit hohen Einkommen profitieren und die klimaschädliches Verhalten bevorteilen."
Habeck sagte in der ARD-Sendung Anne Will, in den Gesprächen werde versucht, in der "Tiefe" von Haushaltstabellen oder dem Klima- und Transformationsfonds zu identifizieren, welche Punkte später kommen könnten und welche man vielleicht gar nicht mehr umsetzen wolle oder könne. Habeck betonte aber, der soziale Ausgleich in Deutschland und die gesellschaftliche Stabilität dürften nicht weiter gefährdet werden.
Wird die Bürgergelderhöhung gestoppt?
Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen nach den Plänen der Ampelkoalition zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen - Alleinstehende dann 563 Euro. Anders als bei früheren Anpassungen war die monatelang stark erhöhte Inflation aufgrund einer Änderung der Regeln bei der Berechnung für 2024 stärker berücksichtigt worden.
Lindner wies darauf hin, dass sich die Inflationsrate wesentlich besser entwickelt, als bei der Festlegung des Regelsatzes für 2024 prognostiziert. Die Inflation war im November auf 3,2 Prozent gesunken - die geplante Bürgergeld-Erhöhung ab Januar basiert noch auf einer Inflation von 9,9 Prozent, wie der sozialpolitische FDP-Fraktionssprecher Pascal Kober deutlich gemacht hatte. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte ebenfalls eine Rücknahme der deutlichen Erhöhung des Bürgergeldes.
Sozialminister Hubertus Heil weist die Forderungen nach einer Aussetzung der Bürgergelderhöhung zurück. Sein Ministerium unterstrich, dass die jährliche Anpassung vorgeschrieben sei und einem festgelegten Verfahren folge. Steigende Preise und Lebenshaltungskosten seien gerade für Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen seien, eine starke Belastung, erklärte ein Sprecher: "Deshalb ist es wichtig, dass mit dem Bürgergeld auch in Krisenzeiten das verfassungsmäßig garantierte Existenzminimum gewährleistet ist." Diesem gesetzlichen Auftrag komme man nach.
Die SPD will sich gegen Einsparungen im Sozialbereich stemmen. Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Samstag bei einem Parteitag der Thüringer Sozialdemokraten in Meiningen: "Die SPD fightet, dass es kein Sparhaushalt wird, dass nicht die Ärmsten die Leidtragenden sind."
Kann es noch einmal eine Notlage geben?
Für 2023 soll noch einmal eine Notlage erklärt und die Schuldenbremse damit ausgesetzt werden. Als Begründung wird die anhaltende Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine angegeben.
SPD-Chef Lars Klingbeil will das auch für 2024. "Es muss eine Sparleistung der Bundesregierung geben. Aber am Ende bin ich der festen politischen Überzeugung: Wir müssen die Notlage für 2024 ausrufen, weil ich nicht in eine Situation kommen will, wo wir die Ukrainehilfe gegen Klimainvestition ausspielen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Lindner sieht das aber sehr skeptisch: "Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass man eine neuerliche Aussetzung verfassungsmäßig tragfähig begründen kann."
Wie geht es weiter mit den Strompreisen?
Eigentlich hat die Koalition im kommenden Jahr einen Bundeszuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant, um den Strompreis zu dämpfen. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Als Folge des Haushaltsurteils muss die Bundesregierung diesen Sondertopf allerdings zum Ende des Jahres auflösen. Das Geld für den Zuschuss müsste also aus dem Kernhaushalt kommen.
Ohne den Zuschuss würden die Endkundenpreise deutlich steigen, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft: "Dabei ist eine bezahlbare Stromversorgung gerade in Zeiten von Unsicherheiten von hoher - auch gesellschaftspolitischer - Bedeutung."
Warum muss überhaupt gespart werden?
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden.
Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Das hat der Bund aber in Sondertöpfen getan - was nun zusätzliche Löcher in den Etat reißt. Lindner sieht für 2024 einen "Handlungsbedarf" von 17 Milliarden Euro.
Wie geht es weiter?
Wenn die Bundesregierung den Haushalt für 2024 noch in diesem Jahr beschließen will, muss sie sich in den nächsten Tagen einigen. Bis zur Kabinettssitzung am Mittwoch müsste es eine politische Grundsatzeinigung von SPD, FDP und Grünen geben, damit es noch genug Zeit für das parlamentarische Verfahren gibt.
Vom 8. bis 10. Dezember findet in Berlin der SPD-Parteitag statt. Möglich ist auch, dass es vor Weihnachten eine Grundsatzeinigung gibt, der Haushalt dann formell aber erst Anfang des kommenden Jahres vom Parlament verabschiedet wird.
Falls es keine politische Einigung vor Weihnachten geben sollte, droht eine Hängepartie. Die Ampel könnte politisch in schweres Fahrwasser kommen.