Sparmaßnahmen im Bildungsbereich "Eine absolut falsche Entscheidung"
Schulen und Kitas stöhnen unter Personalmangel und schlechter Ausstattung, Bildungsstudien geben Deutschland schlechte Noten: Die geplanten Sparmaßnahmen im Bildungshaushalt stoßen auf Unverständnis.
Wenn ihre Jungs mal wieder nicht in die Kita können, weil mehrere Erzieherinnen und Erzieher gleichzeitig erkrankt sind, wenn die Grundschule des größeren Bruders später anfängt oder früher zu Ende ist, dann geht für Charlotte Meyer aus Haßloch das Jonglieren los. Sie und ihr Mann sind beide berufstätig und auf die Betreuung ihrer vier Söhne im Alter zwischen vier und zwölf Jahren angewiesen.
Die Mutter macht nicht der Schule oder der Kita einen Vorwurf, sondern der Politik, die in ihren Augen zu wenig gegen die Bildungskrise tut. "Wir Eltern stehen in diesem Spagat. Wir müssen arbeiten und unseren Arbeitsverpflichtungen nachkommen. Aber wir müssen auch schauen, dass es unseren Kindern gut geht."
Vielen Eltern geht es so. Ohne Großeltern in der Nähe und ohne durch Eltern organisierte Selbsthilfe stehen gerade finanziell benachteiligte Familien allein da. Professionelle Tageseltern kann sich nicht jeder leisten. Meyer ist selbst Lehrerin und zollt den Erzieherinnen ihrer Kinder Respekt: "Die Erzieherinnen trauen sich kaum, sich krank zu melden, kommen dann in den Kindergarten und versuchen zu arbeiten, damit es den Kindern gut geht. Aber das ist ja kein Zustand."
Den Kitas macht keiner einen Vorwurf
Aus ihrer Kita kommt die Bestätigung. Claudia Theobald ist Erzieherin im Katholischen Kindergarten St. Elisabeth in Haßloch. 100 Kinder werden hier von 18 Mitarbeiterinnen, viele davon in Teilzeit, betreut. Seit 30 Jahren arbeitet Theobald hier und hat die Entwicklung mitbekommen: "Wir Kitas haben immer mehr Aufgaben bekommen über die Jahre. Wir betreuen immer jüngere Kinder über immer längere Zeit. Und die Kitas sind weder räumlich noch personell so aufgestellt, dass wir diesem Auftrag gut gerecht werden können."
Wie fast alle Ministerien muss auch das Bundesbildungsministerium im kommenden Jahr mit weniger Ausgaben planen: 20,3 Milliarden Euro gegenüber 21,46 Milliarden Euro in diesem Jahr - also 1,16 Milliarden Euro weniger. Dass der Bildungshaushalt geringer ausfallen soll, kann Theobald nicht nachvollziehen: "Das Dümmste, was eine Gesellschaft tun kann, ist, an der Bildung ihrer Kinder zu sparen. Wenn wir es nicht schaffen, endlich mal ein gutes Bildungssystem zu etablieren, das allen Kindern Bildung und Förderung gewährleistet, dann können wir hier im ehemaligen Land der Dichter und Denker das Licht ausmachen."
Ihre Kolleginnen und Kollegen hätten schlichtweg nicht genug Zeit für die Kinder: "Das ist für jede Erzieherin und jeden Erzieher schwierig, die ihren Beruf mit Herzblut machen, weil wir den Kindern unter diesen Bedingungen nicht gerecht werden."
Protest gegen den Bildungsetat
Wenn der Bildungshaushalt heute im Bundestag zur Debatte steht, steht draußen vor dem Bundestag die Initiative "Bildungswende jetzt". Eine Gruppe aus Eltern, Lehrern, Schülern, Gewerkschaftlern und Erziehern und protestiert gegen die Bildungspolitik der Ampelregierung.
Markus Sänger, Vater von zwei Schulkindern, Elternsprecher und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schulelternbeiräte (ARGE-SEB), sagt, ihm falle zu dieser Politik bald nichts mehr ein: "Wir sind in einer Bildungskrise, und wenn man ökonomisch denkt, muss man in Krisen investieren, damit man aus dieser Krise rauskommt. Deshalb ist es aus meiner persönlichen Sicht sehr kritisch, dass wir jetzt gerade an der Bildung sparen. Denn Bildung ist ja essenziell."
Schulen vermitteln kaum noch Basiskompetenzen
Das bestätigt Klaus Hammer, Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Landesverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Die geplanten Kürzungen des Bundes im Bildungsbereich sind aus meiner Sicht fatal. Es ist eine absolut falsche Entscheidung." Er bezeichnet den gesamten Bildungsbereich schon jetzt als chronisch unterfinanziert. Die derzeitige Bundesregierung habe die Dramatik der Auswirkungen auf die Gesellschaft vielleicht nicht verstanden.
Personal sei gerade so viel vorhanden, dass das System laufe, doch man habe es versäumt, Rahmenbedingungen etwa für Lehrkräfte zu verbessern. Die Schulen meldeten ihm zurück, dass sie ihren Bildungsauftrag nicht mehr schaffen könnten, wenn sie nicht bald personelle und fachlich qualifizierte Unterstützung bekämen. Die Folge sei, dass einige Schülerinnen und Schüler den Schulabschluss nicht schaffen und Schulen kaum noch die Basiskompetenzen vermitteln könnten.
Sondervermögen Bildung?
Die Gewerkschaft kritisiert, dass die Länder nicht mehr imstande seien, die Bildungsfinanzierung allein zu stemmen. Hier bedürfe es eines guten Zusammenspiels zwischen Bund und Ländern. Bundesprogramme wie beispielsweise der Digitalpakt seien hilfreich, wenn sie auf Dauer angelegt seien. Auch "Sprachkitas" seien eine gute und richtige Idee gewesen - wurden aber auf Bundesebene schon wieder eingestellt. Dadurch würden auch einige Bundesländer das Programm nicht weiterführen, weil sie es nicht bezahlen könnten.
Die konkrete Forderung der Bildungsgewerkschaft ist: "Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Was im Rüstungsbereich finanzierbar ist, sollte auch für den Bildungsbereich gelten. Uns geht es um eine dauerhafte Finanzierung eines gerechten, inklusiven und zukunftsfähigen Bildungssystems in Deutschland", betont der Landesvorsitzende Hammer.
Für Charlotte Meyer hieße das, dass sie und ihr Mann sich wieder planbarer auf ihre Berufe konzentrieren könnten und nicht mit Beginn jeder Woche ängstlich nachsehen müssten, ob wieder eine Horrormail von der Kita oder der Schule gekommen ist. Ihr jüngster Sohn, sagt sie, möge es gar nicht, wenn in seiner Gruppe oft das Personal wechsle und er keine feste Bezugsperson habe. Die Älteren profitierten nicht von häufiger Notbetreuung, in der sie, ohne etwas zu lernen, nur Hausaufgaben machen würden. "Aus Elternsicht ist hier ein großes Fragezeichen, wo noch mehr eingespart werden soll", sagt die Mutter. "Ich sehe gerade keine Möglichkeit, dass man noch mehr sparen kann."